Bindungsorientierte Erziehung (AP) – Was ist das überhaupt?

Bindungsorientierte Erziehung ist eine Erziehungspraxis, in der soziale Verbindungen und Nähe im Mittelpunkt stehen. Eines haben nämlich alle Kinder und Erwachsenen gemeinsam: Wir brauchen in jeder Situation des Lebens Sicherheit und Orientierung. Gerade in zwischenmenschlichen Beziehungen ist dafür Vertrauen notwendig. Das können Menschen jedoch nur gewinnen, wenn sie als Kind ein gutes Urvertrauen entwickeln konnten. Wie gut oder gering dieses ist, hängt von der Bindung zu den engsten Bezugspersonen in den ersten Lebensjahren ab.

Bindungsorientierte Erziehung als Basis für den Aufbau des Lebens

Eine gute Bindung ist wichtig für die frühkindliche Entwicklung. Eine starke emotionale Bindung zu Bezugspersonen ist von großer Wichtigkeit für die Explorationsfreude eines Kindes.

Bindung ist – schlicht gesagt – die Basis für alles!

Durch eine gute Bindung baut das Kind ein hervorragendes Urvertrauen auf. Dieses Urvertrauen verankert sich tief im Inneren schließlich so, dass es deinem Kind nicht schwerfallen wird, sich im Laufe seines Lebens gut zurechtzufinden.

Denn durch eine stabile Bindung und somit das gut ausgeprägte Urvertrauen, gewinnt dein Kind Entdecker- und Erforschungsfreude.

  1. Es wird es lieben, Neues zu entdecken, statt Angst vor Unbekanntem zu haben.

  2. Es wird gute Beziehungen führen können, die ebenso stabil sind, wie die Bindung zu dir.

  3. Es wird sich selbst Sicherheit und Orientierung bieten können und ein großes Selbstvertrauen in sich und seine Fähigkeiten haben.

Alles steht und fällt mit dem Bindungsaufbau in den ersten Lebensjahren. Nutze die Zeit, um dein Kind stark für das Leben zu machen.

 

Definition

Was bedeutet bindungsorientierte Erziehung?

Bindungsorientierte Erziehung ist auch unter der englischen Bezeichnung „Attachment Parenting“ (AP) bekannt und wird teilweise auch bedürfnisorientierte Erziehung genannt. Sie ist eine Erziehungsphilosophie und -praxis, bei der die Schaffung und Erhaltung einer sicheren, emotionalen Verbindung zwischen Eltern und Kind den Fokus bildet.

Das Fundament der bindungsorientierten Erziehung basiert auf der Bindungstheorie, die von dem britischen Psychiater und Psychoanalytiker John Bowlby entwickelt wurde. Diese Theorie besagt, dass Kinder eine angeborene Neigung haben, starke Bindungen zu ihren Hauptpflegepersonen zu entwickeln und diese für ihre emotionale Entwicklung und ihr Wohlbefinden von entscheidender Bedeutung sind.

Die bindungsorientierte Erziehung hilft Kindern, ein gesundes Selbstbewusstsein und Resilienz zu entwickeln. Außerdem fördert sie die emotionale Intelligenz und die Fähigkeit, zukünftig stabile und gesunde Beziehungen aufzubauen.

Vgl. auch Bindungstrauma (Bedeutung) sowie Was ist Erziehung? und Selbstbewusstsein bei Kindern stärken

 

7 Prinzipien in der bindungsorientierten Erziehung

  1. Empathie und Feinfühligkeit: Eltern reagieren aufmerksam und einfühlsam auf die Signale und Bedürfnisse ihres Kindes, sei es beim Weinen eines Babys oder den Sorgen eines Schulkindes.

  2. Physische und emotionale Präsenz: Eltern sind physisch und emotional präsent und zugänglich für ihr Kind, was die Entwicklung von Vertrauen und Sicherheit fördert.

  3. Unterstützende Begleitung: Eltern bieten Begleitung und Unterstützung bei der Erkundung der Welt und bei neuen Herausforderungen, anstatt übermäßig einzuschränken oder zu kontrollieren. Vgl. auch Familienregeln im Alltag

  4. Positives Modellverhalten: Eltern sind sich ihrer Vorbildfunktion bewusst und zeigen Verhaltensweisen, die sie sich auch von ihrem Kind wünschen.

  5. Konsequente Grenzsetzung: Grenzen werden klar und verständlich gesetzt und auf faire sowie liebevolle Weise aufrechterhalten, wobei Strafen vermieden werden, die das Kind demütigen oder verängstigen könnten.

  6. Offene Kommunikation: Gefühle offen auszudrücken und dem Kind zuzuhören, ist wichtig. So lernt ein Kind, über seine Emotionen zu sprechen und Konflikte konstruktiv zu lösen. Vgl. auch Tipps für Wutanfälle bei Kindern

  7. Sicherheit und Halt: Eltern bieten eine sichere Basis, von der aus das Kind die Welt erkunden kann, sowie einen sicheren Hafen, zu dem es immer wieder zurückkehren kann.

 

Entwicklung durch gute Bindung

Was bedeutet das Wort Bindung? Laut der Entwicklungspsychologie erklärt der Begriff „Bindung“ die emotionale Verbindung zwischen den Hauptbezugspersonen, bzw. den Eltern und dem Kind. Die Bindung ist ebenso ein Überlebenstrieb des Kindes.

Es gibt auch viele kritische Meinungen über die „Bindungsorientierte Erziehung“. Dort gibt es Stimmen, die behaupten, dass durch das ständige Herumtragen, das Kind verzogen werden könnte oder dass das Konzept nur so lange umsetzbar ist, solange die Mutter nicht arbeiten geht.

Hierbei muss eines klar hervorgehoben werden: „Bindungsorientierte Erziehung“ ist kein Lebensstil. Hier geht es darum, die Bedürfnisse des Kindes und die Erfüllung dieser in den Fokus zu stellen, statt sich mit subjektiven, unerwünschten Verhaltensweisen des Kindes zu beschäftigen.

Ebenso wie in Konfliktsituationen gemeinsam Lösungen zu finden, statt diese dem Kind schon fertig zu präsentieren. Es geht nicht um die sofortige Erfüllung aller Wünsche zu jeder Zeit.

Die bindungsorientierte Erziehung ist auch nicht dem antiautoritären oder laissez-fairen Erziehungsstil zuzuordnen. Wird ein Kind verstanden und beschützt, kann es sich auf wesentlichere Dinge des Lebens konzentrieren. Es befindet sich nicht ständig im Überlebensmodus.

Warum ist das so wichtig? Es gibt im menschlichen Gehirn unterschiedliche Areale. Das „Reptilien–Gehirn“, ist der Hirnstamm. In diesem befinden sich unsere Urinstinkte, wie Kampf, Flucht und Erstarren.

Dieses Areal wird immer dann aktiv, wenn wir uns bedroht fühlen und sich unser Überlebensmodus einschaltet. Somit sind wir nicht zur gleichen Zeit in der Lage, uns auf andere Dinge zu konzentrieren.

Wird dem Kind nun Sicherheit in der Bindung gegeben und das stabil über längere Zeit, beruhigt sich dieses Areal des Gehirns und das „Helden-Gehirn“ wird aktiv. Damit ist der sogenannte präfrontale Cortex gemeint.

In diesem Areal finden die Gefühlsregulation und die Konzentration statt. Diese können sich somit aktivieren. Das vorher beschriebene Urvertrauen, welches durch eine gute Bindung gestärkt wird, ist wie ein innerer (psychischer) Schutzpanzer für dein Kind. Je stärker dieser ist, umso besser wird dein Kind später mit Stress, Krisen und Verlusten umgehen können.

Vgl. auch: Kind hat keine Freunde im Kindergarten sowie Konzentration bei Kindern fördern

 

Die 7 B’s der bindungsorientierten Erziehung

Birth Bonding

Direkt nach der Geburt, nehmen Mutter und Kind engen Körperkontakt auf.

 

Breastfeeding

Die Mutter stillt ihr Baby nicht nach Plan, sondern wann das Kind es möchte.

 

Babywearing

Die Eltern tragen das Baby so viel wie möglich am Körper.

 

Bedding close to Baby

Die Eltern schlafen mit dem Baby im selben Bett oder Zimmer.

 

Belief in Baby’s Cry

Hier glauben die Eltern daran, dass weinen ein Zeichen von zu wenig erfüllten Bedürfnissen des Kindes ist.

 

Balance and Boundaries

Die Eltern setzen klare Grenzen und nehmen sich viel Zeit dafür, etwas für sich zu tun.

 

Tipps für eine „Bindungsorientierte Erziehung“

Erfüllung von Grundbedürfnissen

Jedes Kind hat unterschiedliche Bedürfnisse nach Liebe, Essen, Schlafen etc. Versuche hier die Bedürfnisse deines Kindes herauszufinden, indem du es in seinem Verhalten beobachtest.


Liebevolle Nähe

Gib deinem Kind so viel Nähe, wie es braucht. Stelle viel Körperkontakt her.


Zeitnahe Reaktion

Bei Kindern ist in den ersten Lebensjahren noch kein Zeitgefühl vorhanden. Reagiere daher unmittelbar auf die Emotionen deines Kindes.


Begleitung von Emotionen

Wenn dein Kind in die Autonomiephase (Trotzphase) kommt und alle Emotionen bereits leben, jedoch nicht kontrollieren kann, bist du sein Anker. Begleite seine Emotionen ohne Vorwürfe.


Keine Strafen und Drohungen

Hinterfrage das Verhalten deines Kindes. Auch, wenn es dich sauer macht. Hinter seinem Verhalten steckt ein Bedürfnis, dass bis jetzt noch nicht gesehen wurde.


Respektvoller Umgang

Lieber Respekt als autoritäres Verhalten. Durch den Respekt gehst du wertschätzend mit den Gefühlen deines Kindes um. So kann sich eine sichere Bindung entwickeln.


 

Fazit: Bindungsorientierte Erziehung

Egal, welchen Begriff man dem Ganzen gibt. Im Kern ist es unumgänglich. Urvertrauen, gestärkt durch eine gute Bindung benötigt jeder Mensch, für jede Situation im Leben.

Um eine gute Beziehung mit Freunden und Liebespartnern zu führen, um Selbstvertrauen, Sicherheit und Orientierung zu haben, um Neues auszuprobieren und gut mit Stress, Verlusten und Herausforderungen umgehen zu können. Daher kann es nicht sein, dass ein Kind durch enge Bindung verzogen wird. Sondern nur, durch die falsche Auffassung und Umsetzung des Begriffes „Bindungsorientierte Erziehung.“

Vgl. auch Autoritätsprobleme bei Kindern, die 6-Jahres-Krise oder: Wackelzahnpubertät sowie Innere Stärke entwickeln – Resilienzstärkung für Familien

Svenja Gleffe – Redaktion Deutsche Lebensbrücke

Co-Autorin: Tamara Niebler, freie Journalistin und seit mehreren Jahren Teil des Redaktionsteams der Deutschen Lebensbrücke.

Svenja schreibt als ausgebildete Pädagogin über kindliche Entwicklung und unterstützt unsere Redaktion mit fundierten Fachtexten. Ihr Motto: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen!“ (Aristoteles)

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