Umgang mit ADHS-Kindern » Tipps für Eltern im Alltag
Der Umgang mit einem Kind, das an ADHS leidet, verlangt von Eltern und Betreuern viel Geduld. Betroffene Kinder sprühen häufig vor Energie, sind super kreativ und neugierig, doch fällt es ihnen schwer, ihre Aufmerksamkeit zu bündeln und Impulse zu steuern. Um den Alltag für alle zu erleichtern, helfen Einfühlungsvermögen und klare Strukturen.
ADHS-Kinder haben eine andere Bedürfnissprache
Hyperaktive Kinder drücken ihre Bedürfnisse auf andere Weise aus, als Kinder ohne ADHS. Darum werden sie auch oft falsch verstanden.
Benötigt ein ADHS-Kind zum Beispiel eine Pause, wird es unruhiger und zappeliger anstatt ruhiger und langsamer, was dann von vielen Erwachsenen als Bewegungsdrang fehlinterpretiert wird. Benötigen betroffene Kinder Ruhe, weil zu viele Reize auf sie einprasseln, die sie überfordern, erscheinen sie manchem Beobachter von außen gelangweilt oder suchend.
Problematisch ist vor allem, dass Ungeschicklichkeit als Unlust wahrgenommen wird, Überforderung als Unterforderung und soziale Kontaktbedürfnisse als Aggression.
Vgl. Wutanfälle bei Kleinkindern sowie Wut bei Kindern
Umso wichtiger ist es für Eltern mit ADHS-Kindern, diese veränderte Bedürfnissprache zu kennen und zu verstehen. Vgl. auch AD(H)S bei Kindern
Eine typische Szene mit ADHS-Kind
Es ist Abend und die Eltern sitzen zusammen mit ihrem Kind am Esstisch. Die 6-jährige Lara hat ADHS und strotzt nur vor Energie. Während alle zu essen beginnen, rutscht sie auf ihrem Sitz ungeduldig hin und her. Lara stürzt fast vom Stuhl, als sie plötzlich aufspringt, weil ein Auto draußen hupt und sie unbedingt zum Fenster laufen möchte, um die vorbeifahrenden Autos zu betrachten.
Die Eltern rufen sie zurück an den Tisch und bitten sie, sich wieder zu setzen und langsam zu essen. Lara greift nach ihrem Brot und stopft sich so viel davon in den Mund, dass sie kaum essen kann.
Geduldig erklären die Eltern ihr erneut, kleine Bissen zu nehmen und gründlich zu kauen.
Doch noch bevor das Mädchen den ersten Happen heruntergeschluckt hat, sieht sie das Glas mit Apfelsaft am anderen Ende des Tisches und klettert quer über den Tisch, um es zu erreichen. Im Tumult kippt sie alle Gläser auf dem Tisch um. Schnell wischen ihre Eltern den Tisch, das Geschirr und den Boden sauber.
Zurück auf ihrem Stuhl hat Lara schon die nächste Idee: Sie beginnt, ihre Erbsen über den Tisch zu rollen, um ein Spiel daraus zu machen. Ihre Mutter erinnert sie sanft daran, das Essen auf dem Teller zu lassen. Die Eltern konzentrieren sich darauf, das Abendessen fortzusetzen.
Aber nur 5 Minuten später springt Lara wieder auf und rennt in ihr Zimmer, um ihre Lieblingspuppe zu holen. Sie kommt zurück, setzt die Puppe neben sich auf den Stuhl und beginnt, so zu tun, als würde die Puppe auch essen. Ihre Fantasie kennt keine Grenzen.
Als sie ihre Hände ankleckert, saust sie ins Bad, um sich die Hände zu waschen, wo sie dann so vom Wasser fasziniert ist, das aus dem Wasserhahn kommt, dass sie alles um sich vergisst. Ihre Eltern rufen sie zurück an den Tisch …
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Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom mit oder ohne Hyperaktivität
ADS und ADHS sind Begriffe, die oft miteinander verwechselt werden, da sie ähnliche Symptome beschreiben. Es gibt jedoch Unterschiede, die wichtig für das Verständnis und den Umgang mit betroffenen Kindern sind.
Vgl. auch Konzentration bei Kindern – Aufmerksamkeit trainieren
Noch mehr Übungen findest du hier: Konzentrationsübungen für Kinder (Aufmerksamkeit trainieren).
ADS (Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom):
Hauptmerkmal: Eine wesentliche Herausforderung bei ADS ist die Aufmerksamkeit und Konzentration. Kinder mit ADS haben oft Schwierigkeiten, sich längere Zeit auf eine Aufgabe zu fokussieren oder sich zu organisieren.
Symptome:
leicht ablenkbar
vergessen von alltäglichen Aufgaben
Schwierigkeiten, Anweisungen zu befolgen
häufiges Träumen und Verträumtheit
Verhalten: Kinder mit ADS wirken oft ruhig und unauffällig, da Hyperaktivität nicht zu den Hauptsymptomen gehört. Vgl. auch Das überangepasste Kind
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung):
Hauptmerkmal: ADHS umfasst die gleichen Herausforderungen wie ADS bzgl. Aufmerksamkeit und Konzentration, enthält zusätzlich aber auch Hyperaktivität und Impulsivität.
Symptome:
zappeln und Unfähigkeit, stillzusitzen
ständiges Reden
impulsives Verhalten (z. B. Unterbrechen anderer)
Schwierigkeiten, ruhig zu spielen
Verhalten: Kinder mit ADHS sind oft sehr aktiv und können unruhiges oder impulsives Verhalten zeigen. Das Resultat sind häufig Probleme in der schulischen oder sozialen Umgebung.
Was ist typisch für ADHS-Kinder?
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen
Kinder mit ADHS haben oft Schwierigkeiten, neue Tätigkeiten oder Spiele kontinuierlich fortzusetzen, besonders wenn diese ein planvolles und schrittweises Vorgehen erfordern.
Ob bei Mal- und Bastelarbeiten am Tisch oder im Stuhlkreis innerhalb der Gruppe – Unaufmerksamkeit zeigt sich vor allem bei fremdbestimmten Aktivitäten. Doch auch bei selbst gewählten Spielen verlieren die Kinder häufig schnell das Interesse.
Impulsives Verhalten
ADHS-Kinder handeln oft spontan und unüberlegt, es fällt ihnen weitaus schwerer, die möglichen Konsequenzen zu bedenken. Geduld ist hier eine echte Herausforderung: Warten, bis sie an der Reihe sind, fällt ihnen schwer und führt oft dazu, dass sie andere Kinder beim Spielen stören. Auch bei Gesprächen mit Erwachsenen können sie plötzlich dazwischenreden und Antworten geben, bevor die Frage vollständig gestellt ist.
Körperliche Unruhe
Betroffene Kinder sind besonders ruhelos und zappelig in Momenten, in denen Ruhe gefragt ist. So kommt es, dass sie beim Essen vom Tisch aufstehen und im Sitzkreis nicht still sitzen können. Ruhiges Spielen fällt vielen ADHS-Kindern schwer und sie neigen oft zu exzessivem Klettern.
Das Kind verspürt seine innere Unruhe so stark, dass ständige Ermahnungen und Strafen von Bezugspersonen wenig bringen. Und selbst wenn ein betroffenes Kind auf Appelle, Warnungen und Rüffel reagiert, kann es seine innere Anspannung nur wenige Minuten unterdrücken.
Diese Kinder sind also nicht ungehorsam oder undiszipliniert, sondern können nicht anders als ihrem Drang nachzukommen.
Was Eltern tun können
Der richtige Umgang mit ADHS-Kindern
Auch wenn jedes Kind einzigartig ist, die folgenden 8 Grundsätze gelten immer beim Umgang mit einem ADHS-Kind. Das Zauberwort lautet stets „Geduld“: Geduldig erklären, empathisch unterstützen und liebevoll korrigieren.
1) Besondere Bedürfnisse anerkennen
Ein Kind mit ADHS fühlt sich häufig missverstanden und als Außenseiter – insbesondere, wenn es keine spezielle KiTa besuchen kann und darum unter den anderen Kindern auffällt.
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Hilf ihm, das Gefühl loszuwerden, „schlecht“ oder „komisch“ zu sein. Integriere regelmäßig exklusive Zeiten am Tag und Abend, in denen du dich ausschließlich deinem Kind widmest.
2) Sicherheit durch Grenzen & Strukturen
Kinder mit ADHS benötigen einen strukturierten Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten und ausreichendem Schlaf. Einheitliche Familienregeln sind wichtig und sollten konsequent befolgt werden. Statt zu schimpfen oder zu diskutieren, sind klare Regeln und vorher festgelegte Konsequenzen zu vermitteln. Vgl. auch Grenzen setzen bei Kindern
3) Loben, loben, loben
Jedes Kind benötigt Anerkennung und Wertschätzung durch Lob. Doch ein Kind mit ADHS ist darauf noch mehr angewiesen als andere Kinder, denn es leidet konsequent unter seinem Anders-sein und muss viel Unverständnis ertragen.
4) Ruhige Umgebung
AHS-Kinder haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Informationen zu verarbeiten, wenn sie vielen Reizen gleichzeitig ausgesetzt sind. Daher sollten Hausaufgaben in einem ruhigen Raum gemacht werden, ohne Ablenkungen wie Radio oder anwesende Geschwister.
Die Zeit für Fernsehen und Computer muss begrenzt werden, da zu viel Medienkonsum für betroffene Kinder kontraproduktiv ist. Auch Mahlzeiten sollten in einer ruhigen Umgebung ohne Störfaktoren wie Radio oder Fernsehen stattfinden, um unnötige Ablenkungen zu vermeiden.
5) Nicht überfordern & nicht unterfordern
Sensibel gegenüber den Konzentrationsproblemen des Kindes zu bleiben, hilft auf jeden Fall, den Alltag leichter zu meistern. Gerade lange Aufgaben können überfordern. Besser sind kleine, überschaubare Aufgaben, die deinem Kind mehr Erfolgserlebnisse schenken.
6) Viel Bewegung
Sorge dafür, dass dein Kind ausreichend Bewegung bekommt – nicht nur einmal am Tag, sondern auch immer wieder zwischendurch. Kreative Hobbys wie Malen oder Tanzen sind ebenfalls sehr förderlich für dein Kind.
Allerdings ist darauf zu achten, ob das Kind einen Bewegungsdrang hat oder müde ist. Wirkt dein Kind überdreht, ist es besser, einen einzigen stimulierenden Reiz zu fokussieren (zum Beispiel orale Reize: Kaltes, Saures), der anregt, aber nicht überfordert. » Bewegungserziehung
7) Ausgewogene Ernährung anstatt Diät
Ob eine bestimmte Ernährungsweise bei ADHS wirklich helfen kann, ist nicht klar. Jedenfalls existieren keine wissenschaftlich eindeutigen Beweise dafür. Trotzdem bemühen sich viele betroffene Eltern, spezielle Diäten einzuhalten.
Doch Kinder- und Jugendpsychotherapeuten sehen ADHS-Diäten bei Kindern kritisch. Im Grunde führen rigorose Ernährungsregeln eher dazu, dass die Kinder noch tiefer in die soziale Isolation rutschen, weil sie sich dadurch noch mehr von den anderen Kindern abheben (anderes Essen, andere Essenszeiten etc.)
8) Teamarbeit mit pädagogischen Fachkräften
Eltern und pädagogische Institutionen bilden im besten Fall ein Team, das Hand in Hand zusammenarbeitet, um deinem Kind die beste Unterstützung und Entwicklung zu bieten. Falls nicht die Betreuungspersonen selbst darauf aufmerksam geworden sind, solltest du also offen und ehrlich mit ihnen sprechen. So werden die Verhaltensweisen deines Kindes nicht missinterpretiert und man kann leichter damit umgehen.
Fazit: Umgang mit ADHS-Kindern
Das Familienleben bringt oftmals schon viele Herausforderungen mit sich. Ein Kind mit ADHS in der Familie belastet die Situation zusätzlich. Für das Familienklima machen Verständnis, Geduld und Unterstützung einen großen Unterschied. Außerdem stärkt der richtige Umgang mit ADHS-Kindern die Eltern-Kind-Bindung, die so wichtig für eine gesunde Kindesentwicklung ist.
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Quellen:
1) Dagmar Fernholz: AD(H)S bei Kindern
2) Infoportal ADHS des Universitätsklinikums Köln (AöR)
3) Dr. Vogel: Umgang mit Kindern mit ADHS
4) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)