Wut bei Kindern

Wenn Kinder wütend sind

Wut bei Kindern kann unterschiedlichste Gründe haben. Gerade bei länger anhaltender Wut ist ein aufmerksamer Blick der Eltern gefragt.

Warum sind Kinder wütend?

Vielleicht sollten wir zuerst einmal eine Lanze für ein oft negativ besetztes Gefühl brechen: Wut ist an sich nichts schlechtes. Wut bei Kindern ist zuerst einmal nicht per se besorgniserregend. Wut drückt etwas aus.

Schwierig wird es, wenn die Eltern nicht sehen und verstehen (können), warum das Kind wütend ist. Oft hoffen die Eltern: Vieles “wächst” sich im Laufe der Kindheit aus.

Generell kann man sagen: Auch das jeweilige Alter des Kindes ist ausschlaggebend. Wenn über einen längeren Zeitraum hinweg keine Veränderung der Situation eintritt, ist es wichtig, genauer hinzusehen und auf Spurensuche zu gehen.

 

 Drei Ausprägungen von Wut bei Kindern

Generell gibt es bei Kindern 3 Arten von Wut:

  1. Das Kind lässt sich die Wut nach außen hin nicht anmerken.

  2. Das Kind zeigt die Verzweiflung lautstark und klar sichtbar.

  3. Das Kind verliert die Kontrolle und reagiert aggressiv.

Oft tun sich auch Erwachsene nicht leicht, Wut adäquat auszudrücken. Es kann Kindern schwerer als Erwachsenen fallen, ihre Wut zu artikulieren. In vielen Situationen werden sie auch nicht ermutigt, dies zu tun.

 

Das Alter des Kindes spielt eine Rolle

Um nach Gründen für die Wut eines Kindes zu suchen, muss das Alter des Kindes unbedingt berücksichtigt werden. Jeder hat schon einmal von der sogenannten Trotzphase im Kleinkindalter gehört. Ein bisschen schmerzlich ist es wahrscheinlich für alle Eltern, aber: Kinder möchten sich von klein auf in Richtung Autonomie entwickeln. Vgl. Autonomiephase verstehen

Der Ablöseprozess beginnt, sobald das Kind auf der Welt ist. Wie schnell dieser Prozess stattfindet, ist hingegen individuell verschieden. Manche Kinder sind zudem launischer und ungeduldiger als andere.

In bestimmten Lebensphasen kann die Wut für ein Kind also durchaus normal sein. Vielleicht möchte es eine bestimmte Fertigkeit unbedingt erreichen, spürt aber, dass die Grenzen hierfür aktuell noch unüberwindbar sind.

Das Kind kennt noch keinen anderen Weg, mit diesem inneren Konflikt umzugehen - außer mit Wut.

Diese gefühlte Ohnmacht wird verstärkt, wenn die Eltern das Kind nicht ausreichend regulieren - und nicht ausreichend Geduld mitbringen.

Wichtig ist also, in welcher Phase des Lebens das Kind ist, in welchen Situationen die Wut auftritt und über welchen Zeitraum sie besteht.

 

Was steckt hinter der Wut?

Wut kann nach innen und nach außen gerichtet sein. Sie kann mit Aggression verbunden sein - Aggression und Wut sind eng miteinander verwandt und lösen ähnliche Prozesse im Gehirn aus.

Wie bereits erwähnt, kann Wut, wenn sie nur phasenweise auftritt, also aus entwicklungsbedingter Frustration entstehen. Beispielsweise, wenn ein Kind sich in bestimmten Situationen bedroht fühlt oder ängstlich ist. Dies wiederum kann sich in aggressives Verhalten umwandeln.

Wenn die Wut über einen längeren Zeitraum hinweg auftritt, kann eine Schieflage zuhause, in der Schule oder im sozialen Umfeld vorliegen. Dann ist es wichtig, dass die Eltern ihr eigenes Verhalten dem Kind gegenüber reflektiert betrachten.

 

Wut hat eine Funktion

Wut zeigt Unmut. Sie zeigt Unzufriedenheit. Sie zeigt, dass das Kind Werte und eigene Vorstellungen hat, die nicht erfüllt werden.

Viele Eltern verunsichert Wut bei ihren Kindern eher. Anderen ist sie unangenehm. Andere unterbinden sie. Dabei wird sie viel zu oft negativ beurteilt.

Denn Wut ist nicht negativ. Sie hat eine Funktion. Sie ist ein Warnsignal. Sie bedeutet, dass das Kind Grenzen ziehen will oder an Grenzen stößt. Vgl: Grenzen setzen bei Kindern

Wenn das Kind wütend ist, liegt die Verantwortung auch bei den Eltern, herauszufinden: Warum ist mein Kind so wütend? Was passiert im Leben des Kindes? Wo fühlt es sich unverstanden?

 

Ständige Wut ist auch bei Kindern nicht gesund

Wut bedeutet, in Alarmbereitschaft zu sein. Der Körper schüttet die Stresshormone Adrenalin und Nodrenalin aus. Der Puls klettert in die Höhe, die Herzfrequenz steigt, die Fähigkeit, rational Situationen zu beurteilen, ist stark vermindert.

Wut bedeutet auch, viel Energie aufzuwenden und zu verlieren. Es kann die Leistungen in der Schule beeinträchtigen. Es kann sich auf das Sozialverhalten des Kindes auswirken.

Wut kann einsam und krank machen.

 
 

Wie können Eltern mit der kindlichen Wut umgehen? 

Die Wut bei Kindern verstehen

Wichtig ist, dem Kind zu suggerieren, dass es in Bezug auf auslösende Situationen für die Wut Aufmerksamkeit bekommt und nicht abgewertet wird. Wenn die Eltern Verständnis für die Situation und für die Wut zeigen, kann sich vieles für das Kind schon anders anfühlen.

Nicht selten stecken hinter ständigen Wutanfällen des Kindes schwerwiegende Erziehungsfehler. Dazu gehören ein ignorantes Verhalten der Eltern, wie das ständige „stell Dich nicht so an“. Emotionen und Gefühle werden von vielen Eltern auch heute noch nicht gerne gesehen.

Das Kind verinnerlicht, dass seine Sorgen und Nöte nicht wichtig genug sind, nicht ernstgenommen werden.

Viele Eltern unterschätzen und unterfordern ihre Kinder. Sie trauen ihnen wenig zu, erlauben ihnen nicht, wozu sie bereits fähig wären. Im Gegenzug werden Kinder heutzutage viel zu oft überfordert.

Vgl. auch Bedürfnisorientierte Erziehung: Was sie wirklich bedeutet

Vgl. auch: Was ist Erziehung? – Bedeutung, Ziele & Aufgaben

 

Über- oder Unterforderung in der Schule

Überforderung

Auch ständiger Frust kann Wut auslösen. Ein Kind, das in der Schule überfordert ist, wird auch mit seinen bzw. ihren Gefühlen überfordert sein.

Nicht selten sind Lehrer*innen ausgezeichnete Unterrichtende – aber legen wenig Aufmerksamkeit auf die pädagogischen und individuellen Aspekte.

Natürlich müssen Lehrkräfte einen Mittelweg finden, um alle Kinder im Unterricht abzuholen. Nichtsdestotrotz: Nicht selten werden Kinder in der Schule nach vorne gerufen, werden dort vor den Mitschüler*innen bewertet.

Kinder, die nicht dem Mainstream entsprechen, werden schnell als “dumm” oder “faul” abgestempelt. > Mein Kind will sich nicht angstrengen - Das steckt dahinter!

 

Unterforderung

Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht seltsam, dass auch eine Unterforderung in der Schule sich nachteilig auf ein Kind auswirken kann.

Doch ein Kind, das sich in der Schule langweilt, kann das Unbehagen auch in Wut ausdrücken. Zudem lernt es nie zu lernen und kann in bestimmten Situationen oder bei höheren Klassenstufen nicht mit Lernherausforderungen umgehen.

 

Wer wütend ist, sollte sich entschuldigen

Gerade Kinder mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn werden wütend, wenn sie sich nicht fair behandelt fühlen. Diese Wut kann in Frustration begründet sein.

Auch wenn es oft unbewusst abläuft: Viele Eltern nehmen die Gefühle ihrer Kinder zu wenig wahr. Sie denken vielleicht nicht daran, dass es Kindern auch gut tut, wichtig für die kindliche Entwicklung ist, wenn die Eltern sich für Fehler entschuldigen.

So lernen Kinder Grenzen, den eigenen Standpunkt verhandeln zu dürfen, zu sehen, dass auch andere Menschen Fehler machen, dass dies Teil des Familienlebens ist.

 

Wut bei Kindern mit ADHS oder anderen Neurodivergenzen

Neurodivergenz ist kein medizinischer Begriff. Er ist wertungsfrei. Er sagt einfach aus, dass das Gehirn einiger Kinder anders funktioniert.

Kinder, die von AD(H)S, der sogenannten Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung betroffen sind, fühlen sich oft unverstanden. Sie wissen tief drin, dass sie intelligent sind. Doch die Rückmeldung von außen fühlt sich anders an. Die Lehrer beschreiben sie als dumm, die Eltern als faul. Vgl. auch Umgang mit ADHS-Kindern

Ähnlich ist die Situation für Kinder, die an Lernschwierigkeiten oder Autismus leiden.

Kinder mit Neurodivergenzen möchten genauso lernen wie neurotypische Kinder - aber es kann ihnen schwer fallen. Sie brauchen vielleicht länger als andere Kinder oder eine andere Lernstrategie.

Wenn diese Kinder nicht gefördert werden, fühlen sie sich schnell als Versager - und erleben eine starke Wut.

 

Ausblick - die Wut kanalisieren und auflösen

Wenn ein Kind übermäßig oft und über einen längeren Zeitraum hinweg wütend ist, liegt die Verantwortung bei den Eltern, herauszufinden, ob und inwiefern sie ihr Kind unterstützen können.

Das Gefühl haben, sich mitteilen zu dürfen, ohne dafür beurteilt zu werden, ist der erste und wichtigste Schritt. Jedem Kind - wie jedem Erwachsenen - ist es wichtig, ernstgenommen zu werden.

Im gemeinsamen Gespräch können die individuellen Grenzen besprochen werden. Wie können beide Seiten produktiv an dieser Krise arbeiten?

Eins ist klar: Wut bei Kindern ist weit mehr als “nur” eine schwere Belastungsprobe für Kind und Eltern: Unterdrückte Wut kann sich sehr negativ auf die psychische und physische Gesundheit eines Kindes auswirken.

Deshalb möchte dieser Artikel gerne ein Plädoyer sein: Eltern sollten ihr Kind dabei unterstützen, einfach mal alles „rauszulassen”, sich zu erleichtern, die Wut nicht zu verringern oder nach innen zu nehmen.

Wenn ein Kind sich angstfrei an ihre/ seine Eltern wenden kann, fällt die schwerste Last ab. Wenn man die großen Sorgen nicht mehr alleine auf den kleinen Schultern lasten hat, wird ein großes Problem oft sehr schnell zum kleinen Problem.

Ariane Faralis

Ariane ist studierte Soziologin & hat eine eigene private psychotherapeutische Praxis. Sie verstärkt unsere Online-Redaktion mit fundierten Fachtexten und wertvollem Content. Ariane’s Motto: ”Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit” (Erich Kästner)

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