Entwicklungsbedingte Ängste bei Kindern - Liste & Warnzeichen
Entwicklungsbedingte Ängste bei Kindern sind relativ häufig – und in den allermeisten Fällen absolut harmlos, da sie von alleine wieder verschwinden. Doch es gibt auch Warnzeichen für ausgeprägte Kinderängste, also Angststörungen, die leider die wenigsten kennen und daher leicht übersehen werden.
Angst bei Kindern ist nichts Ungewöhnliches
Jedes Kind hat Ängste. Doch einige davon sind normal, andere ein frühes Warnzeichen für tiefgehende psychische Probleme.
Teil der normalen Entwicklung: Ängste von Kindern
Angst hat jedes Kind mal. Das eine mehr, das andere weniger. Allerdings ist das nicht nur eine Charakterfrage, sondern hängt sogar mit der natürlichen Entwicklung von Kindern zusammen. Vgl. auch: 6 Entwicklungsstufen nach Piaget, Freud & Co. Vgl. Die 5 Entwicklungsbereiche von Kindern – Ein Überblick
Angst vor Monstern unter dem Bett, Angst vor dem Alleinsein, Angst vor dem Doktor – solche entwicklungsbedingten Angstphasen sind normal und absolut ungefährlich.
Doch woher sollen Eltern oder Bezugspersonen wissen, wann Kinderängste normgerecht und wann behandlungsbedürftig sind?
Das ist tatsächlich ein Problem, denn allzu oft werden Kinder, die an pathologischen Ängsten leiden, übersehen.
Sie wirken nach außen hin vielleicht ruhig und normal, doch im Innern leiden sie still vor sich hin. Die große Gefahr: Wenn Bezugspersonen und Eltern nicht rechtzeitig bemerken, was im Kind vorgeht, kann sich eine ausgeprägte Angststörung ausbilden.
Warum das Kind an der Angst wächst
Warum sehen viele Menschen dann Angst als negativ? Das liegt an den körperlichen Begleiterscheinungen: Beklemmung, Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche und Übelkeit sind nicht gerade angenehm.
Dabei ist Angst ein Grundgefühl von uns Menschen. Sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen. Und weil Ängste so basal und menschlich sind, sind sie auch Teil der kindlichen Entwicklung. Ihr Zweck ist es, das Kind vor Gefahr zu schützen. Aber auch, Kinder an sich selbst wachsen zu lassen, sobald sie die Angst bewältigt haben.
Selbstwirksamkeit ist hier ein Stichwort, dass Pädagogen und Kinderpsychologen immer wieder betonen. Das Kind lernt durch Angstbewältigung, dass es dem Leben und seinem Alltag gewachsen ist.
Entwicklungsbedingte Ängste bei Kindern
– Liste nach verschiedenen Altersklassen
Harmlose Kinderängste kommen auf ganz natürliche Weise zustande und begleiten die körperliche & geistige Entwicklung. Meist treten sie durch Veränderungen auf.
Interessant ist, dass sich Kleinkinder-Ängste vor allem auf aktuelle Ereignisse oder die direkte Umgebung beziehen. Das liegt daran, dass die Kleinen erst mit zunehmendem Alter Abstraktionsvermögen und Reflexionsfähigkeit ausbilden.
Die gute Nachricht: diese Ängste legen sich von selbst wieder, sobald das Kind die aufregende Entwicklungsstufe durchgestanden hat.
Liste altersüblicher Ängste im
Kinder- und Jugendalter
Ab wann entwickeln Kinder (normale) Angst?
Babys von 0-6 Monaten
Angst vor lauten Geräusche
Babys von 6-9 Monaten
Angst vor Fremden
Kleinkinder von 9-12 Monaten
Trennungsangst, Verletzungsangst
Kleinkind 2 Jahre
Angst vor eingebildeten Figuren,
Angst vor Einbrechern,
Angst vor Tod
Kleinkind 3 Jahre
Angst vor dem Alleinsein,
Angst vor Tieren (Hunden)
Kleinkind ab 4 Jahren
Angst vor Dunkelheit Angst vor Monstern
Kinder 6-12 Jahre
Schulangst, Verletzungsangst, Angst vor Krankheit, Angst vor Gewitter, Angst vor sozialen Situationen
Jugendliche 13-18 Jahre
Verletzungsangst, Angst vor Krankheit, Angst vor Sexualität, Angst vor sozialen Situationen
Angststörung bei Kindern - Symptome
Diese Verhaltensauffälligkeiten sind Warnzeichen
Ängstlichkeit ist keinem Kind auf die Stirn geschrieben.
Ganz im Gegenteil, ängstliche Kinder zeigen sich ruhig, brav und angepasst. Sie tun alles, um nicht negativ aufzufallen, und halten sich zurück.
Leider ist es daher nicht einfach, problembelastete Kinder zu erkennen. Es gibt allerdings Verhaltensauffälligkeiten, die auf pathologische Ängste bei Kindern hinweisen können.
Wenn Sie oder ein anderer Erwachsene folgende Verhaltensweisen bemerken, die über Wochen anhalten oder immer wiederkommen, ist es wichtig, sich mit einem Kinder- und Jugendpsychiater zu beraten:
intensive Ängste und Sorgen mit Nervosität und Konzentrationsproblemen
motorische Unruhe und innere Anspannung, zum Beispiel Ruhelosigkeit, Zittern, Gelenkschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelverspannungen
körperliche Übererregung in bestimmten Situationen, zum Beispiel Übelkeit, Schweißausbrüche, Schwindel, Herzrasen, Durchfall, Mundtrockenheit.
Starke Trennungsangst des Kindes von den Eltern oder der Bezugsperson
Schlafstörungen, zum Beispiel unruhiger und schlechter Schlaf, Einschlafprobleme, Durchschlafprobleme
psychosomatische Probleme, zum Beispiel häufige Magenschmerzen, Durchfall, Kopf- und Gelenkschmerzen u.s.w.
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Wann zum Kinder- oder Jugendarzt?
Die Grenze zwischen noch normal und behandlungsbedürftig ist nicht immer klar. Auch weil Kinder wie wir Erwachsenen sehr unterschiedlich sind. Daher hier eine Faustregel, wann die aufgelisteten Auffälligkeiten im Verhalten unbedingt von Ihrem Kinderarzt abgeklärt werden müssen:
Sobald die Ängste des Kindes den Alltag stark beeinträchtigen oder zu Problemen in der Familie, im Kindergarten, in der Schule oder in der Freizeit führen, ist der Gang zum Arzt dringend notwendig.
Je früher die krankhafte Angst bei Kindern behandelt wird, desto mehr Folgeprobleme lassen sich vermeiden. Zum Beispiel sorgt eine rechtzeitige Behandlung dafür, dass die betroffenen Kinder soziale Kontakte knüpfen lernen, ihr Selbstwertgefühl stärken und ihre schulischen Leistungen verbessern.
Das wichtigste ist aber, dass eine rechtzeitige Behandlung dafür sorgt, dass ein Kind sich gut entwickeln kann und so die Chance auf ein gutes Leben als Erwachsener hat.
Kinderängste: Angststörungen erkennen
Auch wenn viele Kinderängste wie der Nachtschreck für Sie als Erwachsener harmlos klingen, sie sind ernstzunehmen. Bitte nehmen Sie die folgenden Beschreibungen nicht auf die leichte Schulter.
Kinder und Angst vor Dunkelheit, Monstern
In manchen Fällen kann die Angst vor Dunkelheit, dem Alleinsein, Unwettern, Tieren und Monstern so stark sein, dass sich das Kind selbst durch den Trost und die Zuwendung der Eltern nicht beruhigen können.
Hier ist unbedingt ärztliche Hilfe notwendig. Denn wenn die Angst des Kindes so extrem ist, kann durchaus eine Angststörung dahinter stecken.
Kinder mit Nachtschreck
Schätzungen zufolge leiden 3-6 % der Kinder hierzulande unter dem Nachtschreck: ca. 1-4 Stunden nach dem Einschlafen schreckt das Kind schweißgebadet und angstvoll aus dem Schlaf auf.
Oft schlagen die betroffenen Kids um sich, wenn man versucht, sie anzufassen. Der Spuk ist so schnell vorbei, wie er gekommen ist. Plötzlich versinkt das Kind wieder in den Tiefschlaf und kann sich am nächsten Tag an nichts erinnern.
Auch hier möchten wir Sie bitten, Ihr Kind zum Arzt zu bringen, um kein ernsthaftes Krankheitszeichen zu übersehen.
Kinder mit Trennungsängsten
Trennungsangst ist im Alter zwischen 7 Monaten und Vorschulalter relativ normal. Wollen Kinder aber nicht in Kindergarten oder Schule gehen (Schulvermeidung), sind die Trennungsängste ernstzunehmen. Oft kommen diese Kinderängste nach dem Tod (Haustier, Verwandte) oder Wechsel des Sozialumfelds (Kindergarten, Schule) zustande.
Schulangst (Schulphobie) bei Kids
Schulvermeidung ist eine besondere Form der Trennungsangst oder Sozialen Angst. In dem Fall zeigen sich ausgeprägte Angstsymptome und Angstzustände beim Kind, die den Alltag enorm einschränken und einen Schulbesuch verhindern.
Die Folgen sind schwerwiegend für die Zukunft des Kindes, daher ist eine frühzeitige Behandlung mehr als Gold wert.
Kinder mit Leistungsängsten
Mit dem Schuleintritt verbunden können Leistungsängste zwischen 6 und 12 Jahren auftreten. Das Kind fürchtet sich davor, das geforderte Leistungsniveau nicht zu erfüllen.
In der Regel herrscht eine Prüfungs- und Versagensangst vor: Betroffene Kids sind lange vor der eigentlichen Prüfung aufgeregt und pessimistisch. Das zeigt sich meist in einer sorgenvollen Stimmung, aber auch Bauchschmerzen, Durchfall, Zittern und Schlafstörungen in den Tagen vor der Prüfung oder einer ähnlichen Situation.
Die zuletzt genannten Symptome sind psychosomatisch und nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Wächst die Angst beim Kind ungehindert weiter, reift sie einer ausgewachsenen Angst- und Panikstörung.
Soziale Angst (Soziale Phobie) bei Kindern
Kinder mit sozialer Phobie meiden Situationen und Lebensbereiche, in denen sie prüfenden Blicken und Erwartungen ausgesetzt sind. Das ist ähnlich wie bei Leistungsängsten, hat aber nichts mit einer Leistung zu tun, sondern allein mit den sozialen Kontakten.
Die soziale Angst zeigt sich neben der psychischen Belastung in körperlichen Problemen wie Schwindel, Übelkeit, Atemnot, Erbrechen.
Kinder mit Panikstörung
Panikstörungen sind eine spezielle Form von Kinderängsten, die eher bei älteren Jugendlichen vorkommen. Bei dieser Angststörung kommt es immer wieder, plötzlich oder situationsabhängig zu Panikattacken, die sich durch Herzrasen, Erstickungsgefühle und Todesangst bemerkbar auszeichnen.
Die Leiden, die die Teenies durchstehen, sind dabei so schrecklich, dass sie nach der Panikattacke völlig kraftlos und erschöpft sind.
Ein Panikzustand ist weit mehr als bloße Angst. Er setzt den ganzen Körper und Geist des Kindes außer gefecht. Hier braucht es unbedingt eine psychotherapeutische Behandlung, ansonsten kann die Panikstörungen einen chronischen Verlauf nehmen.
Kinderangst bei Depressionen
Depressionen kommen selten allein. Sowohl bei Erwachsenen als auch Kindern werden depressive Störungen von ausgeprägten Ängsten begleitet.
Im Kindergartenalter ist vor allem die Trennungsangst stark ausgeprägt. Bei älteren Kindern fällt eine übermäßige Beschäftigung mit dem Tod auf. Weitere Symptome sind Traurigkeit, Gereiztheit, Appetitlosigkeit und vermindertes Selbstvertrauen.
Bitte sehen Sie Kinderdepressionen nicht banal und verharmlosen sie die Krankheit nicht. Erhalten Kinder bei Depressionen keine Hilfe, begehen viele spätestens im Jugendalter Suizidversuche.
Angst bei Kindern mit Zuversicht begegnen
Die meisten Ängste von Kindern kommen und gehen auch wieder von alleine.
Trotzdem lohnt es sich immer, genauer hinzusehen, um ernsthafte Gesundheitsprobleme zu erkennen und angemessen zu behandeln.
Ob harmlose oder ernstzunehmende Kinderängste – Sie sollten in jedem Fall Verständnis für das Kind zeigen und Geduld beweisen.
Das ist immer noch die beste Unterstützung für kleine und große Kids.
Fazit: Entwicklungsbedingte Ängste bei Kindern & Angststörungen
Ängste bei Kindern gehören zur natürlichen Entwicklung und zählen zu den Grundemotionen des Menschen.
Sie entstehen oft durch Veränderungen im Umfeld des Kindes und lösen sich von selbst wieder auf.
Frühwarnzeichen für behandlungsbedürftige Kinderängste sind: starke Nervosität, Konzentrationsschwierigkeiten, Unruhe und starke Anspannung, Schlafprobleme, psychosomatische Anzeichen (Bauchschmerzen, Kopfschmerzen, Zittern, Schwindelattacken etc.)
Gehen Sie sofort zum Arzt, wenn der Alltag stark von den Ängsten des Kindes beeinträchtigt wird.
Diese Kinderängste sind ernstzunehmen: extreme Angst vor Dunkelheit und Monstern, Nachtschreck, enorme Trennungsangst, Schulangst, Leistungsangst, Soziale Phobie, Panikattacken, depressive Symptomatik mit Angst gemischt.
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Quellen:
1) Prof. Dr. med. Johannes Hebebrand (DGKJP), Neurologen und Psychiater im Netz
2) Herpertz-Dahlmann: Entwicklungspsychiatrie – Biologische Grundlagen und die Entwicklung psychischer Störungen (Schattauer Verlag 2005)
3) Kindergesundheit-Info
4) Barbara Dolak: Keine Angst vor der Angst – Über entwicklungsbedingte Kinderängste und ihr Potenzial
5) LWL-Klinik Paderborn: Angst zu haben ist in bestimmten Situationen ganz natürlich
6) Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Silvia Schneider im Interview mit der F.A.Z.
7) Sarah King: Kinderängste: Woher kommen sie? Wie können Eltern helfen?
8) Prof. Dr. med. Dipl. Psych. Susanne Walitza, im Interview mit swissmom
9) Deutsches Institut für Angstüberwindung