Verhaltensauffällige Kinder – Anzeichen erkennen & handeln!
Verhaltensauffällige Kinder zu erkennen, ist gar nicht so einfach, aber sehr sehr wichtig. Allerdings ist das Spektrum zwischen einer gesunden und kranken Kinderpsyche groß. Doch wann ist ein Kind verhaltensauffällig? Es gibt Anzeichen, die auf psychische Probleme hinweisen können, aber nicht müssen.
Wann ist ein Kind verhaltensauffällig?
Psychische Leiden bei Kindern sind häufig. Eltern sollten daher auf die folgenden diese Anzeichen achten und schnell reagieren.
Ist mein Kind verhaltensauffällig?
Eine Frage, die viele Eltern zu Recht umtreibt.
Probleme gehören schließlich zum Leben und nicht jede Verhaltensabweichung muss gleich krankhaft sein.
Es gibt durchaus kindliche Eigenarten, die sich „auswachsen“. Psychische Probleme gehören allerdings nicht dazu.
Eins vorweg:
Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern sind keine Seltenheit.
Im Gegenteil, sie kommen häufiger vor, als viele Eltern glauben. Wichtig ist daher, bei bestimmten Anzeichen professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen – Ihrem Kind zuliebe.
Denn vieles lässt sich mit frühzeitiger Intervention verhindern und gut behandeln. Andere Auffälligkeiten sind wiederum harmlos und legen sich im Laufe der Entwicklung von selbst wieder. Vgl. Die 5 Entwicklungsbereiche von Kindern – Ein Überblick
"Eltern zu sein ist ohnehin eine große Aufgabe. Wir sollten nicht zulassen, dass falsche Scham uns daran hindert, für unsere Kinder Hilfe zu suchen, wenn sie sie brauchen. Mein Mann William und ich würden nicht zögern." (Kate Middleton, 2)
Was die Herzogin anlässlich einer Mental-Health-Kampagne 2017 sagte, trifft es auf den Punkt. Und zeigt, wie brisant das Thema heute in vielen Familien ist. Umso mehr ein Grund, im Umgang mit den eigenen Kindern achtsam und aufmerksam zu sein.
Vgl. auch Kinderarmut & Scham
Jedes 5. Kind ist verhaltensauffällig
Ab wann beginnt eine Verhaltensauffälligkeit bei Kindern? Probleme sind schließlich alltäglich und gehören zu einem Kinderleben wie auch zum Erwachsenenleben.
Noch viel wichtiger: Es gibt kein Kind, das in seiner Entwicklung immer völlig normal wirkt und unauffällig ist.
Allein in Deutschland sind schätzungsweise ca. 20-25 % aller Kinder & Jugendlichen verhaltensauffällig (6).
Jedes 5. Kind in Deutschland zeigt entsprechende Anzeichen.
Ob diese nun krankhaft und behandlungsbedürftig sind oder nicht, kann nur ein Facharzt für Kinderpsychologie feststellen. Die Übergänge zwischen krank und gesund sind schließlich fließend.
So schreibt der Kinder- & Jugendpsychiater Dr. Nawid Peseschkian:
"Wie sehr ein Verhalten als problematisch erlebt wird, das hängt von dem Ausmaß, der Heftigkeit oder von der Häufigkeit ab, mit der das Problem auftritt.
Es hängt auch von dem Grad ab, in dem das Kind, der Jugendliche oder seine Bezugspersonen unter der Problematik leiden und in dem die Entwicklungsmöglichkeit des Kindes oder Jugendlichen durch die Probleme eingeschränkt werden" (2)
Kriterien für Verhaltens-auffälligkeiten bei Kindern
Ein Kind ist dann verhaltensauffällig, wenn es sich deutlich anders verhält als die meisten Altersgenossen. Hier gibt es mehrere Kriterien, die ins Gewicht fallen und wichtig für eine richtige Einschätzung der Situation sind.
Generation: Vieles, was heute völlig normal ist, hätte in früheren Zeiten als anormal gegolten. Die Frage ist also auch vom Zeitgeist abhängig.
Kultur: Ob etwas eine Verhaltensauffälligkeit ist oder nicht, wird auch durch die Kultur bestimmt. Während in manchen Ländern und Regionen ein bestimmtes Verhalten verpönt ist, wird es in anderen gefördert oder geduldet.
Alter: Wenn sich ein 2-jähriges Kind aus Trotz auf den Boden wirft und schreiend um sich schlägt, handelt es sich oft um ein normales Trotzverhalten und ist typisch für diese Alter. Verhält sich ein 9-jähriger Schüler auf diese Weise, dann handelt es sich eindeutig um eine Verhaltensauffälligkeit.
Was sind Verhaltensauffälligkeiten?
Schon die Definition von problematischem Verhalten ist schwer zu treffen. Dementsprechend finden sich unterschiedliche Erklärungen und Symptomatiken. Ein allgemeiner und oft akzeptierter Definitionsversuch lautet:
Verhaltensauffälligkeiten sind gegeben, wenn das Verhalten
das auf den sich verhaltenden Menschen selbst oder seine Umwelt und Mitwelt über einen längeren Zeitraum belastend und verunsichernd wirkt
in der Auswahl und Intensität nicht der Situation angepasst erscheint
Entwicklungsmöglichkeiten behindert, anstatt sie zu fördern
Verhaltensauffälligkeiten sind keine Laune der Natur, sondern sind quasi Problemlösungsversuche. Sie erfüllen für das Kind eine ganz bestimmte Funktion: Zum Beispiel dienen manche Verhaltensweisen dazu, innere Anspannung & Ängste abzubauen, andere helfen, Zuneigung zu erhalten oder anderweitig Aufmerksamkeit zu gewinnen.
Und was ist der Unterschied zwischen Verhaltensauffälligkeit & Verhaltensstörung?
Beide Begriffe stehen für abweichendes Verhalten – so weit, so klar. Doch die Unterscheidung zwischen Verhaltensauffälligkeit und Verhaltensstörung bereitet selbst Fachleuten einiges Kopfzerbrechen.
Verhaltensstörungen werden nach ICD-10 diagnostiziert. Hier müssen eindeutige Leitsymptome für psychische Krankheiten über 6 Monate lang vorliegen, zum Beispiel:
ein gehöriges Maß an Aggressionen
Grausamkeit gegenüber anderen Kindern und Tieren
häufiges Lügen
Stehlen
Schwänzen der Schule
von Zuhause weglaufen
übermäßige Ängste (vgl. Entwicklungsbedingte Ängste bei Kindern – Liste & Warnzeichen)
Verhaltensauffälligkeiten könnten demnach nur einen graduellen Unterschied zur Verhaltensstörung darstellen oder synonym benutzt werden.
Verhaltensauffällige Kinder erkennen
Es ist fast unmöglich, eine vollständige Liste an Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu erstellen. Ganz einfach, weil der Übergang von „gesund“ zu „krank“ sehr individuell und fließend ist.
"Pauschal lässt sich nicht beantworten, was typische Alarmsignale sind. Dies ist vom jeweiligen Kind und der jeweiligen Störung abhängig. Plötzlich auftretende Schwierigkeiten in Schule, Familie, und/oder sozialem Umfeld können ein Anhaltspunkt sein. Wenn Eltern Verhaltensauffälligkeiten wahrnehmen, sollten sie ihr Kind darauf ansprechen."
(Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), 2)
Allerdings gibt es Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, die recht häufig auftreten:
Die häufigsten Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern
selbst schädigendes Verhalten, zum Beispiel
intensives Daumenlutschen
Nägelkauen
Haare ausreißen
Zufügen von Schnittwunden oder sonstigen Verletzungen
Drogenmissbrauch
Probleme mit dem Essen (Übergewicht, Mangelernährung, Appetitlosigkeit)
Verhaltensweisen, bei denen andere Menschen geschädigt werden, zum Beispiel:
aggressives Verhalten
Körperverletzungen
Zerstörung von Gegenständen
Vandalismus
Brandstiftung
Diebstähle
selbstunsicheres, schüchternes und überängstliches Verhalten, zum Beispiel:
krankhafte Kinderängste (Nacht-Angst, Schulangst, Trennungsangst etc.)
sozialer Rückzug
depressive Phasen (vgl. Depression bei Kindern)
Verhalten, welches zu erheblichen erzieherischen Schwierigkeiten führt, zum Beispiel:
häufiges Lügen
ausgeprägtes, nicht alterstypisches Trotzverhalten
häufige Konzentrationsschwächen
(vgl. Konzentration bei Kindern fördern sowie Konzentrationsübungen für Kinder)
Ursachen von Verhaltensauf-fälligkeiten sind vielfältig
Was die Ursachen von Verhaltensauffälligkeiten betrifft, tappt die Wissenschaft weitestgehend im Dunkeln. Zwar gibt es Erkenntnisse über Einfluss- und Risikofaktoren, die können aber nicht für jede Auffälligkeit eine hinlängliche Erklärung liefern.
Darüber hinaus spielen individuelle Faktoren eine entscheidende Rolle, genauso wie unterschiedliche Lern-Erfahrungen: Während das eine Kind auf ein und dieselbe Erfahrung mit Verhaltensauffälligkeiten reagiert, kann ein anderes Kind in der gleichen Situation überhaupt keine Probleme haben.
Verhalten lässt sich so auf eine Wechselwirkung zwischen Kind und Umwelt zurückführen. Hierbei sind 4 Faktoren von besonderer Bedeutung für die Psyche eines Kindes:
Persönlichkeit des Kindes
Familie
soziales Umfeld
Gesellschaft
Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozialökonomischen Status sind deutlich häufiger betroffen als diejenigen aus Familien mit einem mittleren oder hohen sozioökonomischen Status. Evtl. auch interessant für dich: Kinder in Armut – Was Armut mit Kindern macht und wie sie prägt
Oft löst Überforderung bei Kindern Verhaltensprobleme aus
Nicht die hinlängliche Ursache, aber ein Auslöser: Stressbedingte Überforderung bei Kindern ist wie auch bei uns Erwachsenen ein Grundstein für viele psychische Probleme. Daher sollten Sie als Mutter oder Vater aufmerksam werden, wenn Ihr Kind häufig über Bauchschmerzen, Übelkeit, Kopfweh, starke Traurigkeit und Angst klagt.
Auch wenn im Kindergarten oder der Schule Probleme auftreten, kann das ein Hinweis auf Überforderung sein.
Hilfe bei verhaltens-auffälligen Kindern
Legt Ihr Kind ein auffälliges Verhalten an den Tag, sollten Sie nicht zögern und einen Facharzt oder zumindest den Kinderarzt aufsuchen. Es bringt wirklich weder dem Kind noch Ihnen selbst etwas, wenn Sie solange warten, bis Kraft & Geduld aufgebraucht sind.
Im Gegenteil: Je frühzeitiger eine etwaige Verhaltensauffälligkeit bei Kindern behandelt wird, desto einfacher und meist schneller lassen sich ernstzunehmende Störungen heilen.
Vgl. auch: Das Bild vom Kind – Was bedeutet Kind-sein?
Hier finden Sie professionelle Unterstützung
Elterntelefon 0800 - 111 0 550 – anonym und kostenlos
Sozialpädiatrische Zentren – Suchfilter der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V.
Familienzentren & Familienberatungsstellen
Jugendämter
Kinder- und Jugendpsychologen
Kinderärzte
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1) Martin R. Textor: Verhaltensauffällige Kinder (Das Kita-Handbuch)
2) Ursula Willimsky: Woran Sie erkennen, dass Ihr Kind verhaltensauffällig ist
3) Martin R. Textor: Verhaltensauffällige Kinder – eine integrative Perspektive (Das Kita-Handbuch)
4) IFK: Verhaltensauffällige Kinder in der Kindertageseinrichtung – Symptome und Ursachen sowie Interventionsmöglichkeiten im Rahmen des Tätigkeitsfeldes von Erzieherinnen (Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung)
5) baer.bayern.de: Verhaltensauffälligkeiten (Bayerischer Erziehungsratgeber)
6) Robert Koch Institut: KiGGS-Basiserhebung (2003-2006)7) BZgA: Psychische Probleme und Verhaltensprobleme bei Kindern (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung)
8) Neurologen und Psychiater im Netz: Verhaltensauffälligkeiten
9) Stiftung Achtung!Kinderseele – Stiftung für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen
10) Ruth Schneeberger: Verhaltensauffällige Kinder – Wenn Eltern Tyrannen erschaffen
11) Oberberg Kliniken: Psychisch auffällige Kinder: Ab wann sind Verhaltensauffälligkeiten Anzeichen für eine psychische Erkrankung des Kindes?
12) Cindy Saleschke: Verhaltensauffällige Kinder im Kindergarten
13) Petra Bühring: Psychische Probleme: Vermehrt auffällige Kinder in den Arztpraxen (Deutsches Ärzteblatt)
14) Dr. Max Schmauß: Prävention von psychischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter am Beispiel der Kindersprechstunde des Bezirkskrankenhauses Augsburg (Bayerisches Ärzteblatt)
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