Fakten zu Kinderarmut 2023 – Überblick & zentrale Erkenntnisse
Kinderarmut bleibt 2023 eines der drängendsten sozialen Probleme in Deutschland. Kinder, die in relativer Armut aufwachsen, sind auf vielen Ebenen gefährdet. Das bedeutet: Nicht nur das individuelle Wohl von Kindern ist beeinträchtigt, sondern im weiteren Sinne auch die Zukunft unserer Gesellschaft.
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Kinderarmut als stille Krise inmitten des Wohlstands
Im Sozialstaat Deutschland lebt jedes 5. Kind in Armut (je nach Statistik auch jedes 4. Kind). Das sind knapp 3 Millionen Kinder & Minderjährige.
Besonders vulnerabel und gefährdet sind Kinder von Alleinerziehenden und jene in kinderreichen Haushalten. Kein Wunder, schließlich stehen beide Gruppen vor großen finanziellen Herausforderungen: Angefangen von einem Mangel an Betreuungsangeboten bis zu fehlender Unterstützung für Berufstätige.
Das Problem wird oft durch die prekären Beschäftigungsverhältnisse der Eltern verstärkt. Obwohl viele erwerbstätig sind, reicht das Einkommen nicht aus, um die eigene Familie über die Armutsschwelle zu heben.
Der Hintergrund liegt sicher nicht in persönlichen Defiziten, sondern findet sich in strukturellen Ungleichheiten: Befristete Arbeitsverträge und Teilzeitanstellungen ohne Perspektive auf berufliche Verbesserung (= sozialer Aufstieg).
Kinderarmut heute in Deutschland
Kinderarmut in Deutschland ist zwar eine relative Größe, doch wer sich allein am Einkommen orientiert, erhält nur einen kleinen Einblick in die Lage betroffener Kinder. Armut bezieht sich ebenso auf:
Bildungschancen (vgl. Bildungsarmut)
Wohnverhältnisse
Gesundheitsversorgung
und Zugang zu kulturellen sowie freizeitlichen Aktivitäten
Kurzum: Armut beschneidet das gesamte Spektrum der Entwicklung und Teilhabemöglichkeiten eines Menschen in der Gesellschaft. Vgl. Überblick: Kinderarmut in Deutschland
Ein Leben in Armut bedeutet für ein Kind daher nicht nur materielle Entbehrungen, sondern auch stark beschränkte Möglichkeiten zur Selbstbestimmung und Persönlichkeitsentwicklung.
Vgl. Die 5 Entwicklungsbereiche von Kindern (Überblick)
2023: Wie viele Kinder in Deutschland leben in Armut?
Nach den Angaben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geht von ca. 2,9 Millionen Kindern in Deutschland aus, die von Armut betroffen sind.
Wir müssen jedoch mit dem Mythos aufräumen, dass Kinderarmut sich „nur“ auf das Einkommen der Familie bezieht. Wie vielfach betont, bedeutet Armut, eine geringe soziale, politische und wirtschaftliche Teilhabe.
Kinder, die in relativer Armut leben, haben nicht die gleichen Möglichkeiten wie andere Kinder (Bildung, Ausflüge, kulturelle Angebote, Karriere). Dies führt nicht nur zu einem geringeren Zugehörigkeitsgefühl und Selbstzweifeln, sondern auch zu schlechteren Bildungschancen.
Ungefähr 50.000 Jugendliche in Deutschland beenden jedes Jahr ihren Bildungsweg ohne Schulabschluss.
Darum heißt es: Armut vererbt sich von einer Generation auf die nächste. Kinderarmut führt zu einem signifikant höheren Risiko für Erwerbslosigkeit, Abhängigkeit vom Sozialsystem, weniger Lebenszufriedenheit und schlechterer Gesundheit. » Mehr erfahren: Kinderarmut: Bildung bietet keinen Schutz
Kinderarmut bedeutet daher schlichtweg: keine Zukunftsperspektive.
Kinderarmut ist Familienarmut
Egal, ob wir von relativer Armut oder Kinderarmut sprechen – sie beschreibt immer eine existenzielle Entbehrung. Die folgenden Daten verdeutlichen, dass Betroffene in allen Belangen unter erheblichen Nachteilen (im Vergleich zu Nicht-Betroffenen) leiden, die langfristig Gesundheit und Zukunftsmöglichkeiten einschränken:
2 von 3 armutsbetroffenen Haushalten (Familien/Singles) besitzen keinerlei finanzielle Rücklagen für Notfälle.
Der Grund: 77 % der Betroffenen haben nicht die Möglichkeit, zur Vorsorge oder Vermögensbildung zu sparen.
ca. 75 % der einkommensarmen Familien und Personen unternehmen im Jahr nicht eine einzige 1-wöchige Urlaubsreise.
ca. 57,1 % kann sich Freizeitbesuche (Kino, Schwimmbad), Sportveranstaltungen oder kulturelle Veranstaltungen (Konzerte) nicht leisten.
22 % haben keinen Internet-Anschluss, 7,6 % heizen in kalten Monaten doppelt so häufig nicht die Wohnung und ersetzen abgenutzte Kleidung und Möbel eher durch Gebrauchtware.
Vielen steht kein Auto zur Verfügung.
Vgl. Arme Menschen sind…
Kinderarmut verursacht Sorgen & Stress
Die Kinderarmut in Deutschland ist nicht nur anhaltend, sondern zeichnet sich auch durch tiefgreifende psychosoziale Folgen aus. Vgl. Die Folgen von Armut in der Kindheit.
Studien zeigen, dass Kinder, die in Armut aufwachsen, einem erhöhten Maß an psychischen Belastungen ausgesetzt sind, was häufig zu Angstzuständen, Gefühlen der Isolation und einem allgemeinen Gefühl von Fremdbestimmung führt.
Diese emotionalen und psychischen Stressfaktoren sind nicht zu unterschätzen, da sie die kognitive Entwicklung und die Allgemein-Gesundheit eines Kindes erheblich beeinträchtigen. Mehr dazu hier lesen: Was Armut mit Kindern macht.
3 wichtige Erkenntnisse zur Kinderarmut 2023
Die Armutsdaten in Deutschland zeigen eine komplexe Problemlandschaft. Betrachten wir dabei die Situation von Kindern, so zeichnen die Fakten ein beunruhigendes Bild über das Ausmaß der Kinderarmut in Deutschland.
Alleinerziehenden-Haushalte
über 40 % der Alleinerziehenden sind betroffen. Dies deutet darauf hin, dass ihre Kinder ein besonders hohes Armutsrisiko haben.
Kinderreiche Familien
Mit einer Armutsquote von ca. 30 % sind Haushalte mit 3 oder mehr Kindern signifikant häufiger von Armut betroffen.
Bildung bietet keinen Schutz
Obwohl ein höheres Bildungsniveau allgemein mit einer niedrigeren Armutsquote korreliert, zeigt sich, dass 17,1 % der Menschen in Armut ein hohes und 56 % ein mittleres Qualifikationsniveau besitzen. Bildung allein reicht folglich nicht aus, um Kinder vor Armut zu bewahren, insbesondere wenn strukturelle Ungerechtigkeiten dazu beitragen. (Vgl. Klassismus in Deutschland sowie Aufstieg durch Bildung & die Opfer)
Fazit: Kinderarmut 2023
Die Bekämpfung von Kinderarmut bleibt somit eine der zentralen sozialpolitischen Aufgaben der nächsten Jahrzehnte, die entscheidend für das zukünftige Wohlergehen der Gesellschaft und die Entwicklungschancen der nächsten Generationen sind.
Um Kinderarmut in Deutschland umfassend zu bekämpfen, sind Investitionen in Bildung und soziale Infrastrukturen unabdingbar.
Gleichzeitig muss die psychosoziale Gesundheit von Kindern verstärkt in den Blick genommen werden, um langfristige Folgeschäden zu vermeiden.
Nur ein umfassender Ansatz, der neben finanzieller Unterstützung auch Zugänge zu qualitativer Bildung und gesundheitlichen Ressourcen eröffnet, kann dazu beitragen, den Kreislauf der Armut zu durchbrechen und allen Kindern in Deutschland eine gerechtere Zukunft zu ermöglichen.
Quellen:
1) Unicef: Kinderarmut inmitten von Wohlstand. Eine Studie des UNICEF-Forschungsinstituts Innocenti
2) Bertelsmann Stiftung: Factsheet Kinderarmut
3) Deutsches Kinderhilfswerk: Kinderreport Deutschland 2023. Kinderarmut in Deutschland
4) Der Paritätische: Wer die Armen sind. Der Paritätische Armutsbericht 2018