Bildungsarmut

Zugang zu Bildung ist nicht für alle gleich

Bildungsarmut ist ein wichtiger Teil von Armut. Sie definiert schon in der Kindheit die Chancen für das Erwachsenenleben.

Die Macht von Bildung und Bildungsarmut

Bildungsarmut Definition

Armut ist in Industrieländern nicht leicht zu definieren, weil sie sehr viele Facetten hat. Viele Faktoren beeinflussen die genaue Beurteilung. Zudem spielt das subjektive Erleben eine große Rolle.

Ebenso schwer ist es, eine genaue Definition für Bildungsarmut festzulegen. Klar ist: Zwischen Herkunft und Bildung besteht ein klarer Zusammenhang.

Bildungsarmut bedeutet einen nicht ausreichenden Zugang zu Bildung. Damit verbunden ist ein Mangel an Bildungszertifikaten und Bildungskompetenzen.

Dieses Defizit kann „absolut oder relativ zum Bildungsreichtum der umgebenden Gesellschaft ausgedrückt werden. (1) “ » Mehr erfahren: Kinderarmut: Bildung bietet keinen Schutz

 

Wer gilt als bildungsarm?

Bildung erlangen wir durch einen (höheren) Schulabschluss sowie eine abgeschlossene Ausbildung bzw. ein Hochschulstudium.

Als bildungsarm gelten Menschen, die über keinen höheren Schulabschluss und keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen 2).

 

Die Bedeutung von Zertifikaten und Kompetenzen in Deutschland

Aus- und Weiterbildungen bringen uns Diplome, Bachelor- und Master-Zeugnisse. Diese Zertifikate sind hierzulande sehr wichtig.

Sie sind außerdem stark begehrt - auch aus persönlicher Motivation heraus: Lebenslanges Lernen ist für sehr viele Menschen aus den höheren Bildungsschichten wichtig.

Akademiker und Meister bilden sich regelmäßig weiter fort. Satte vier Fünftel von ihnen finden regelmäßige Weiterbildung wichtig 3).

Die Bereitschaft zu Aus- und Weiterbildung zeigt sich in hoher Bildungskompetenz. Sie ist definiert als die Fähigkeit, Wissen und Können so zu verbinden, dass die Person selbstständig den beruflichen Anforderungen entsprechen und genügen kann.

Zwischen Zertifikaten und Kompetenzen besteht also ein klarer Zusammenhang. Bei Geringqualifizierten hingegen ist die berufliche Weiterbildung eher die Ausnahme. Bildungsarme Menschen verfügen seltener über Zertifikate und Kompetenzen.

In Bezug auf Weiterbildung entsteht der sogenannte „Matthäus-Effekt“: Wer hat, dem wird gegeben.

 

Bildung macht kompetent

Dass Bildung und Kompetenz stark miteinander verbunden sind, erleben Arbeitnehmer im Berufsleben täglich. Wer eine fundierte Ausbildung hat, dem trauen Arbeitgeber:innen mehr zu.

Das wiederum wirkt sich auf das Selbstbewusstsein des Arbeitnehmers aus: man traut sich selbst viel zu.

Der positive Effekt beginnt schon im Vorstellungsgespräch. Arbeitgeber achten neben den Zertifikaten auch auf die Ausstrahlung des Bewerbers.

Wer selbstbewusst und souverän auftritt, hat hohe Chancen, den begehrten Posten zu bekommen.

 

Berufliche Vorteile von Bildung

Mehr als eine halbe Million Menschen in Deutschland erwerben jährlich einen Hochschulabschluss. Eine gute Ausbildung oder ein Universitätsstudium öffnet viele Türen.

Viele junge Menschen verbringen Auslandssemester im Ausland. Einige machen dort sogar ihren Abschluss.

Sie erlangen ganz „nebenbei“ perfekte Fremdsprachkenntnisse und die wertvolle Fähigkeit, sich in anderen Kulturen und Bildungssystemen zurechtzufinden.

Für viele Berufe ist es heutzutage kaum mehr wichtig, was man studiert hat. Was zählt, ist, DASS man studiert hat.

Ein Hochschulstudium signalisiert Recruitern die Fähigkeit, wissenschaftlich arbeiten und denken zu können. Es verheißt dem Arbeitgeber, dass der Bewerber strukturiert denken und das in der Praxis auch umsetzen kann.

 

 Wie entsteht Bildungsarmut?

Bildungsarmut beginnt in früher Kindheit

Wir lernen vom ersten Tag unseres Lebens an dazu. Das heißt, Bildung beginnt schon lange vor Kindergarten und Schulzeit.

Bildung beginnt mit umfassendem und mehrdimensionalem Lernen. Kinder lernen spielerisch von ihren Eltern und anderen Bezugspersonen.

Dieses Lernen beginnt zuhause.

 

Bildungsarmut und das Elternhaus

Weil Kinder gerade in den ersten Lebensjahren stark von ihren Eltern geprägt werden, entstehen die Fundamente von Bildung im Elternhaus.

Was die Eltern ihren Kindern zeigen, wie sehr sie Bildung und Wissen ihrer Kinder unterstützen, das legt den Grundstein für den späteren Ausbildungsweg.

Deshalb hat die Bildung und Ausbildung der Eltern einen starken Einfluss auf die Bildung und das spätere Einkommen der Kinder.

Bei uns noch mehr als woanders: In keinem anderen OECD-Land ist der Zusammenhang von sozioökonomischen Faktoren der Herkunftsfamilie und dem Schulerfolg der Kinder so stark ausgeprägt wie in Deutschland 2).

 

Zugang zu Büchern und Bildungsarmut

Kinder sind neugierig. Sie stellen Fragen. Sie wollen lernen und verstehen. Sie wollen wissen, wie die Welt um sie herum funktioniert. Der Grad der Unterstützung variiert aber von Familie zu Familie stark.

Eher bildungsferne Eltern unterstützen ihr Kind hier oft wenig. Sie ermöglichen dem Kind wenig bis gar keinen Zugang zu Büchern. Sie lesen dem Kind wenig vor. Sie erklären ihm die Welt nicht. Ganz einfach, weil sie es selbst nicht anders kennen.

Kinder von Migranten haben zusätzlich die Probleme mit der Sprache. Vgl. Sprachförderung bei Kindern

 

Die Eltern können sich nicht ausreichend kümmern

Auch Eltern mit psychischen Problemen geben dem Kind eventuell wenig Unterstützung in Bezug auf Bildung. Sie sind stark mit sich beschäftigt. Bei vielen kommen beispielsweise Suchterkrankungen hinzu.

Andere Eltern müssen den ganzen Tag arbeiten, oft sogar in zwei Jobs pro Person. Anders kommen sie finanziell nicht über die Runden.

Wenn wenig Zeit und Geld für gemeinsame Mahl- und Spielzeiten bleibt, wird an Lese- und Lernzeit zwangsläufig gespart.

 

 Der Einfluss von sozialen Faktoren

Interessen werden ebenso wie Neigungen oder auch Essvorlieben in der Kindheit entwickelt. Unser Umfeld beeinflust uns.

Dazu zählt die Wohngegend und ob wir ein eigenes Zimmer haben. Uns beeinflusst auch, ob und wie viele Freunde wir haben und aus welchen sozialen Schichten sie stammen. Vgl. auch: Kind hat keine Freunde im Kindergarten – Ursachen & Tipps

Beengter Lebensraum beispielsweise kann Kindern die Freude am Lernen nehmen. Wer beispielsweise kein eigenes Zimmer hat, hat wenig innere Ruhe, überhaupt die Hausaufgaben zu erledigen.

Ganz sicher schaffen prekäre Lebenssituationen zuhause nicht die Atmosphäre, um in Ruhe ein Buch zu lesen.

Zudem setzt es ein großes Eigeninteresse und hohe Motivation des Kindes voraus, sich in der Bibliothek selbst Bücher ausleihen zu gehen.

 

Folgen von Bildungsarmut

Schulen verstärken Bildungsarmut

Die Klassen sind zu groß. Lehrer haben oft keine Zeit, sich um einzelne Schüler zu kümmern. Kinder, die still sind und den Unterricht nicht stören, fallen wenig auf. Die Störenfriede bekommen logischerweise mehr Aufmerksamkeit.

Beiden Gruppen kann gemeinsam sein, dass sie sich gerade noch so durch die Schule hangeln.

Zudem wird Wissen in der Schule aus Zeitgründen oft oberflächlich vermittelt. Die Ergänzung des Wissens und die Freude daran muss wiederum zuhause erfolgen.

Der Kreis schließt sich.

 

Bildungsarmut - die ökonomischen Folgen

Kinder wollen lernen. Sie stellen von klein auf Fragen. Sie sind neugierig. In diesem Alter können wir Menschen uns auch am meisten merken.

Das Defizit in dieser Zeit unseres Lebens kann nur schwer wieder aufgeholt werden. Vor der Schule wird der Grundstein zur späteren Bildung und Ausbildung gelegt. Das ist eng verbunden mit dem späteren Einkommen des Kindes.

Je besser die Ausbildung, desto größer die beruflichen Chancen, desto mehr Verdienst.

 

Soziale Folgen von Bildungsarmut

Kinder aus bildungsfernen Familien verbringen oft mehr Zeit mit anderen Kindern aus bildungsfernen Familien. So sind sie in einer sozialen Blase: Sie teilen einen Slang, Dialekt, haben gemeinsame Werte.

In dieser kleinen privaten Welt nehmen sie Bildungsunterschiede wenig wahr. Das heißt, sie sind fernab der Bildungswelt, spüren den Unterschied lange nicht. Viele von ihnen merken erst als Erwachsene, dass sie “anders” sind.

Wer über eine höhere Bildung verfügt bzw. aus so genanntem gutem Hause kommt, kann sich meist auch auf gesellschaftlichem Parkett sicher bewegen. Das steigert das Selbstbewusstsein und öffnet Türen.

Vgl. auch: Selbstbewusstsein bei Kindern stärken – 10 Übungen & Tipps

Anders formuliert: Es müssen oft nicht einmal Türen geöffnet werden. Die Kinder wachsen bereits in entsprechenden Kreisen auf, haben Zugang zu hilfreichen Kontakten.

Klavierspielen können, Tennisunterricht, Allgemeinbildung bis hin zu Tischmanieren und Small-Talk-Fähigkeiten: all das erlaubt das sichere Bewegen in allen gesellschaftlichen Situationen. Viele Kinder aus wohlhabendem Hause erlernen schon früh Fremdsprachen.

Die Herkunft bleibt im Habitus des Menschen lebenslang verortet.

 

Vgl. auch Bildungsexpansion – mehr Bildung ist nicht die Lösung

 

 Ausblick

Kinder aus bessergestelltem und bildungsnahen Zuhause haben einen leichteren Start ins Leben. So ungerecht es klingt, so wahr ist es leider.

Deshalb ist es Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass Kinder fairere Chancen auf das Leben erhalten.

Deshalb sollten wir alle aufmerksam sein.

Wir alle sollten tolerant und unterstützend sein.

Wir alle sollten einen Beitrag leisten, dass wirtschaftlich schwache Kinder aus bildungsfernen Familien am Leben teilhaben und Chancen ergreifen können.

Vgl. auch Was ist Armut? (Philosophie) – Und warum ist sie ein Problem?

  • 1) Wikipedia

    2) armutszeugnisse.de

    3) KfW Research: Fokus Volkswirtschaft 2017

Ariane Faralis

Ariane ist studierte Soziologin & hat eine eigene private psychotherapeutische Praxis. Sie verstärkt unsere Online-Redaktion mit fundierten Fachtexten und wertvollem Content. Ariane’s Motto: ”Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit” (Erich Kästner)

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