Kinderarmut erkennen – Was Kinderarmut bedeutet
Armut bei Kindern oder Familien zu erkennen, ist oft nicht einfach. Der oberflächliche Blick auf die Kleidung allein reicht dafür nicht aus. Zwar gibt es Hinweise, aber keine definitiven Merkmale von Kinderarmut. Es braucht daher eine sensibilisierte Wahrnehmung und genaue Beobachtung, um mögliche Fälle von Kinderarmut zu erkennen.
Kinder in Armut – Hinweise & Beispiele
Kindern ist Armut nicht einfach am Äußeren anzusehen. Indizien zeigen sich vielmehr in verschiedenen Bereichen. Arme Kinder in Deutschland sind in vielerlei Hinsicht benachteiligt, darunter Ernährung, Bildung und Gesundheit. Mehr Infos » Was Armut mit Kindern macht
Kinderarmut bedeutet:
Geld für den Schulausflug fehlt
es ist kein eigener PC verfügbar
nie Urlaub zu machen
die Kleidung der älteren Geschwister tragen zu müssen
im Winter zu Hause zu frieren
dass die Eltern keine Zeit haben, weil sie viel arbeiten
noch nie im Theater gewesen zu sein
kaum neues Spielzeug zu bekommen
ohne Frühstück in den Kindergarten oder in die Schule zu gehen
kein eigenes Zimmer zu haben
kein Fahrrad zu besitzen
zu schwindeln, wenn andere von Geschenken oder Ferien erzählen
hungrig ins Bett zu gehen
nicht im Sportverein teilnehmen zu können
keine neue Brille zu bekommen, wenn die alte kaputtgeht
Schlechte Versorgung & Ernährung
Viele Kinder frühstücken seltener zu Hause und kommen mit knurrendem Magen zur Schule. Manche von ihnen essen hastig, so als wollten sie sich schnell etwas für schlechtere Zeiten "anessen". Andere wirken gestresst und unruhig. Häufig sind kaum Kenntnisse über Lebensmittel vorhanden.
Vgl. Praktische Ernährungsbildung (durch Kochen) sowie Warum Kinderfrühstück wichtig ist
Und auch eine liebevoll gepackte Brotzeit fehlt häufig, wenn dann bringen die Kinder eher Süßigkeiten oder Fertigprodukte mit. Besonders gegen Ende des Monats wird das Budget vieler benachteiligter Familien knapp, das kann sich durch verstärkten Hunger bei den Kindern äußern. Vgl. Hidden Hunger: der versteckte Hunger
Mangelhafte Ausstattung & Bekleidung
Häufig ist die Ausstattung der Kinder sehr dürftig – sei es Kleidung, Schuhe oder Rucksäcke. Die einen tragen zu enge Hosen, die anderen zu große Jacken, in denen sie fast untergehen. Dabei ist die Kleidung meist nicht für die jeweilige Jahreszeit geeignet – dünne Sommerkleider im kalten Herbst oder ungefütterte Schuhe im Winter sind Hinweise auf die familiäre Not (Vgl. Familienarmut). Manche tragen auffällig häufig dieselben ungewaschenen Kleidungsstücke, weil die Eltern kein Geld für Waschmittel oder eine Waschküche haben.
Gelegentlich gibt es Spielzeugtage in Schulen oder KiTas, an denen die Kinder ihre Lieblingsspielsachen mitbringen sollen. Lehrpersonen und pädagogischen Fachkräften fällt in diesem Zusammenhang auf, dass Kinder mit Armutserfahrung oft kein oder kaum Spielzeug mitbringen, während die anderen stolz ihre Schätze zur Schau stellen.
Schlechtes Wohnen & Krankheitsanfälligkeit
Wer genau hinhört und sich Zeit nimmt, bemerkt auch, dass sozial benachteiligte Kinder sehr wohl über die Geldprobleme in der Familie reden. Das kann zum Beispiel eine beiläufige Bemerkung beim Spielen sein, dass sich die Eltern das Spielzeug nicht leisten können. Oder die Kinder erzählen von zu kleinen Zimmern, Schimmel in der Wohnung und nächtlichen Lärm, was direkt auf die prekären Wohnverhältnisse der Familien hinweist.
Neben all dem gibt es auch physische und gesundheitliche Anzeichen für Kinderarmut in Deutschland. Armut macht krank und darum besitzen Kinder, die in Armut aufwachsen, auch eine erhöhte Infektanfälligkeit und sind gestresster. Vgl. Geld und Gesundheit
Soziale Isolation & Ausgrenzung
Deutlichere Indizien sind diverse Verhaltensauffälligkeiten. Zum Beispiel sprachliche Defizite oder auch ein sozialer Rückzug. Manche Kinder sind reizbarer aufgrund des hohen Stresslevels in ihrem Alltag, andere zeigen sich ängstlicher oder empfindlicher.
Schwerwiegend ist vor allem die soziale Vereinsamung bei Kinderarmut: Einige können keine Geburtstagsfeiern ausrichten und werden deshalb auch zu den Feiern anderer Kinder nicht eingeladen. Da selbst für Ausflüge das Geld fehlt, geraten diese Kinder immer mehr ins soziale Abseits. Vgl. Einsamkeit bei Kindern
Fazit: Kinderarmut erkennen
Die Förderung von Resilienz bei Kindern, die von Armut betroffen sind, ist besonders wichtig. Dabei spielen Kindergärten und Schulen eine Schlüsselrolle. Hier können Kinder sichere Beziehungen zu Erwachsenen aufbauen, soziale Kontakte knüpfen und emotionale und soziale Fähigkeiten entwickeln. Vgl. Entwicklungsbereiche von Kindern
In KiTas und Schulen ist Zeit jedoch ein knappes Gut. Oft ist es schwierig, arme Familien ausreichend zu unterstützen. Meist fehlt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht nur an der notwendigen Zeit, sondern auch Ressourcen und Fachwissen. » Mehr erfahren: Kinderarmut: Bildung bietet keinen Schutz
Hier hat die Politik unter allen Umständen nachzubessern. Einerseits für mehr Chancengerechtigkeit in Deutschland, andererseits für die Entlastung und das gesundheitliche Wohl der pädagogischen Fachkräfte am Arbeitsplatz.
Quellen:
1) Hock, Beate/Holz, Gerda/Wüstendörfer (2001): Armut und Benachteiligung im Vorschulalter – Über die frühen Folgen von Armut und Handlungsansätze in der Kita-Arbeit. Gekürzte Fassung in Kita-aktuell 2001, Heft 2, 28ff.
2) Zander, Margherita (2013): „Armut tut nicht weh und geht auch vorbei?“ – Fragt doch die Kinder. In: Sozialmagazin, Heft 3–4, 38. Jahrgang, 56–65.
3) Meier-Gräwe, Uta (2010): Gedeihen trotz widriger Umstände!? Förderung von Resilienz bei armen Kindern und Jugendlichen. In: Christoph Mattes (Hg.), Wege aus der Armut. Strategien der Sozialen Arbeit.
4) Zander, Margherita (2021): Kinderarmut, Resilienz und Handlungsfähigkeit. In: Peter Rahn/Karl August Chassé (Hg.), Handbuch Kinderarmut.
5) Poppe, Sabine (2019): Armut und armutssensibles Handeln in der KiTa. Niedersächsisches Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe), nifbe-Themenheft Nr. 32;
6) Lutz, Ronald (2020): Erschöpfte Familien und die Folgen für Kinder. In: Peter Rahn /Karl August Chassé (Hg.), Handbuch Kinderarmut.