Familienarmut - Familien in komplizierten Lebenslagen
Wenn die Eltern zu wenig Geld haben…
bedeutet das immer auch eine herausfordernde und schwierige Situation für die Kinder. Vieles bekommen selbst die Kleinen schon früh ungefiltert mit.
Benachteiligte Familien, benachteiligte Kinder
Es heißt immer, Armut kann jeden treffen. Und natürlich ist Armut ein Risiko, vor dem sehr viele Menschen nicht gefeit sind. Mit der zunehmenden Technologisierung werden Arbeitsplätze unsicherer. Die Lebenshaltungskosten steigen.
Krisen, die auf unsere Wirtschaft einwirken, können wir nicht beeinflussen. Wir sehen uns beruflich, privat und sozial vielen Unwägbarkeiten gegenüber.
Bereits 1986 prägte der Soziologe Ulrich Beck das Wort „Risikogesellschaft“. Darunter verstand er die vielen unsichtbaren Bedrohungen, denen Menschen durch den ständigen technischen Fortschritt ausgesetzt sind.
Beck traf damals den Nerv der Zeit. Aber auch heute ist seine Einschätzung der modernen Gesellschaft noch aktueller den je.
Gleichzeitig neigen Menschen dazu, die Welt binär zu betrachten, sie also in schwarz und weiß zu unterteilen.
Ganz so einfach ist es nicht. Einerseits kann Armut jeden betreffen. Andererseits sind eher Familien, die bereits in der unteren Mittelschicht verhaftet sind, in starker Gefahr, in Armut abzurutschen.
Auch wenn die Folgen der Corona-Krise und der steigenden Inflation das Armutsrisiko natürlich erhöhen: Armut hat eine Dynamik für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Einige Gesellschaftsschichten sind besonders gefährdet.
Menschen und Familien, die sich in ohnehin schwierigen Lebenslagen befinden, rutschen schnell in dauerhafte Armut (1). In Deutschland hat Armut und Benachteiligung viele Gesichter. Sehr oft ist sie nicht sofort erkennbar.
Vgl. auch:
Fakten zu Kinderarmut 2023 – Überblick & zentrale Erkenntnisse
Kinderarmut erkennen – subtile Anzeichen
Was bedeutet Armut in der Familie?
Wie entsteht Armut und wer gilt als arm?
Als relativ arm gelten Menschen, die weniger als 60 Prozent des Nettoeinkommens zur Verfügung haben. Das gängige Bild der Armut beinhaltet Menschen in zerschlissener Kleidung, die hungern.
In Deutschland gibt es hauptsächlich die sogenannte relative Armut. Das bedeutet, betroffene Menschen haben genug zum Essen und für Kleidung. Deshalb sind sie nach außen hin nicht sofort erkennbar.
Bei Armut kommen meistens verschiedene Faktoren zusammen. Eine geringere Ausbildung und ein deshalb geringes Einkommen, plötzliche oder andauernde Arbeitslosigkeit, Trennung oder Scheidung.
Kinder können nicht isoliert von ihren Eltern betrachtet werden. Vielmehr müssen sie immer im Kontext ihrer Familie betrachtet werden 1).
Die Familienform hat einen großen Einfluss auf die Lebenssituation des Kindes. Alleinerziehende Elternteile und kinderreiche Familien sind besonders gefährdet. Sie sind in der Folge oft vom gesellschaftlichen Leben ausgegrenzt. Das kann auch das Familienleben belasten.
Familienarmut bedeutet Familienstress
Armut bzw. die daraus resultierende Benachteiligung bedeutet die mehr oder weniger starke Abweichung von dem, was in einer Gesellschaft als wünschenswert angesehen wird. Gesellschaftliche Teilhabe wiederum ist sehr eng mit dem Einkommen verknüpft.
Armut betrifft die Familie als Ganzes und zieht materielle, aber auch immaterielle Problemlagen nach sich 2).
Für viele Bereiche des täglichen Lebens haben Familien in Armut nicht genug Geld. Wenn ein Haushaltsgerät ausfällt, können sie es nicht ersetzen. Urlaube sind finanziell nicht möglich. Während der Homeschooling-Zeiten gab es für betroffene Familien keine Möglichkeit, einen Laptop oder ein Tablet zu erwerben.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Eine schwere Herausforderung und ein täglicher Kampf.
Familiengründung wirkt sich auf Einkommen und Beruf aus. Natürlich wollen Eltern ihren Kindern den bestmöglichen Start in das Leben bieten. Aber Kinder sind finanziell betrachtet ein Luxus.
Sie brauchen ständig neue Kleidung, Kindergarten- und Schulutensilien. Sie benötigen regelmäßige Mahlzeiten, Pausenbrote, nahrhaftes und vitaminreiches Essen mit Vitaminen und Mineralstoffen.
Je größer und älter Kinder werden, umso mehr Geld fällt für Extras an. Viele Familien kommen mit ihren finanziellen Mitteln nicht klar. Oft sind ein Elternteil oder beide arbeitslos. Andere arbeiten für eine geringe Bezahlung, oft in zwei Jobs pro Person.
Familienarmut bedeutet Überforderung
Gefühle der Überforderung entstehen, wenn man sich einer Aufgabe oder Situation nicht gewachsen fühlt. Das ist eng verbunden mit der individuellen Bewertung der Situation. Jeder Mensch hat zudem eine andere Resilienz und andere innere Ressourcen.
Familien in Armut haben nie ausreichend Ressourcen, um die Aufgaben und Herausforderungen zu meistern. Die Folge: Armut bedeutet Überforderung und Stress.
Wenn das Geld ständig knapp ist, wird es schnell zermürbend für die Eltern. Weil ständig zu wenig da ist. Weil das Geld einfach nie ausreicht. Auch wenn jeder Euro dreimal umgedreht wird.
Wenn das Geld für alltägliche Sachen nicht reicht, ist jede Extra-Ausgabe eine Herausforderung.
Armut bedeutet mehr als finanziellen Mangel
Eine stabile finanzielle Situation zuhause bedeutet Sicherheit für ein Kind.
Armut ist nicht einzig daran messbar, wie hoch die Kaufkraft in der Familie ist. Sie ist mehrdimensional.
Armut bedeutet einen Mangel an Teilhabe. Es heißt abgetrennt sein von sozialen Aktivitäten, von vielen Sportarten. Es bedeutet, sich nichts leisten zu können.
Das kann gerade für Kinder schwierig sein. Sie erfahren von Klassenkamerad*innen, wo sie ihre Ferien verbringen. Sie hören von Fernreisen, Weihnachtswünschen, Markenklamotten, abenteuerlichen Geburtstagspartys, von kostspieligen Hobbys und Aktivitäten mit der Familie.
Diese Benachteiligung zieht sich durchs kindliche Leben. Beispielsweise sind Schwimmkurse teuer. Zudem reicht das Geld nicht fürs Freibad im Sommer.
Familienarmut beinhaltet noch elementare Bereiche: Es bedeutet auch, wenig Geld für eine gesunde Ernährung zu haben. Viele Eltern essen selbst weniger, um ihren Kindern genug Nahrung zu geben.
Armut bedeutet sozialen Rückzug
Wer von Armut betroffen ist, wird an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Kinder wie Eltern sind in Gefahr, emotional zu leiden und instabil zu werden.
Auch Kinder ziehen sich zurück, reduzieren die Kontakte zur Außenwelt. Sie nehmen sich unter Umständen nicht als arm wahr. Aber dennoch gehören sie nicht dazu. Sie spüren, sie sind irgendwie “anders”.
Kinderarmut und Familienarmut
Kinder sind abhängig von der familiären Situation
Kinder haben kein eigenes Einkommen. Sie sind abhängig von der Situation zuhause. Welche Kleidung sie tragen, ob Freizeitaktivitäten und Urlaube finanziell drin sind, liegt einzig am Einkommen der Eltern.
Kinderarmut ist deshalb eng mit Familienarmut verbunden. Die Armut der Eltern beeinflusst die Kinder direkt. Wer wenig verdient, kann den Kindern wenig ermöglichen.
Das beginnt mit der Schulbildung. Kinder aus bessergestellten Familien erhalten mehr Unterstützung in der Schule. Die Eltern können sich Nachhilfestunden leisten. Aufgrund einer eventuell eigenen besseren Schulbildung können sie ihren Kindern auch selbst besser helfen.
Eine Spirale, die sich in eine Richtung dreht. Die Mängel der Herkunft werden verstärkt.
Kinder spüren Familienarmut
Viele Eltern schämen sich für die Armut in der Familie. Sie versuchen, es vor ihren Kindern zu verheimlichen. Aber Kinder nehmen mehr wahr, als die Eltern glauben. Sie durchschauen die verzweifelten Ausreden.
Viele Kinder wollen ihre Eltern schützen. Sie trauen sich nicht, Wünsche zu äußern. Sie wissen, ihre Eltern können sie sowieso nicht erfüllen. Zudem würden sie ihre Eltern nur traurig machen. Deshalb nehmen sie sich zurück.
Von Familienarmut betroffene Kinder lernen mehr als andere Kinder, was Grenzen sind. Das ist in vielen Situationen schmerzhaft. Sie erleben Ablehnung und ständigen Verzicht.
Das ständige Leben im Mangel kann schwerwiegende bis traumatische Folgen haben. Die psychischen Folgen können ebenso nachwirken wie Vernachlässigung und Gewalt.
Armut in der Familie kann zu starkem Zusammenhalt führen. Aber es birgt vor allem ein hohes Konfliktpotential.
Existenzsicherheit verändert Eltern
Finanzielle Mittel helfen gegen Familien- und Kinderarmut. Das ist durch viele Studien belegt. Vorausgesetzt, den Menschen wird nicht vorgeschrieben, was sie brauchen und kaufen dürfen – Geld hilft gegen Armut
Was kann man gegen Familienarmut tun? Resumé und Ausblick
Familienarmut ist schwer zu überwinden. In den letzten Jahren hat sich immer mehr gezeigt: Armut kann man nicht so leicht entfliehen. Am unteren Rand der Gesellschaft bleibt es für die Betroffenen prekär.
Kindern aus Familien mit Armut wird schon früh sehr viel abverlangt. Sie müssen weit mehr Verantwortung übernehmen als Kinder aus bessergestellten Familien.
Auch wenn sie nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, sie brauchen Verständnis und Unterstützung.
Wichtig ist zudem, Toleranz zwischen den Kindern zu schaffen. Kinder aus besser gestellten Familien sollten Verständnis dafür lernen und entwickeln, dass es nicht allen Kindern gleich gut geht:
Dass niemand etwas dafür kann, in welche Familie er oder sie hineingeboren wird.
Evtl. auch interessant: 45 Aktivitäten mit Kindern – Liste für Indoor & Outdoor Spielideen
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1) Uta Meier-Gräwe: Kinderarmut ist immer auch Familienarmut