Geld hilft gegen Armut – Existenzsicherheit verändert Eltern
Gegen Armut hilft Geld. Nicht nur, aber auch. Das belegen verschiedene Studien aus den letzten Jahren. Tatsächlich verbessern Direkthilfen die Entwicklung und Gesundheit von Kindern in Armut. Auch die Eltern erleben einen persönlichen Wandel, der sich positiv auf das Familienleben auswirkt.
Finanzielle Mittel helfen gegen Familien- und Kinderarmut.
Vorausgesetzt, den Menschen wird nicht vorgeschrieben, was sie brauchen und kaufen dürfen.
Lindner Fauxpas:
„Es gibt also einen ganz klaren statistischen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut.“
Am 19. August 2023 nannte Deutschlands Finanzminister ein überraschendes Argument, das normalerweise nur von rechter Seite angeführt wird: Kinderarmut betrifft hauptsächlich Familien, die seit 2015 nach Deutschland eingewandert sind. Seiner Meinung nach besteht somit ein eindeutiger statistischer Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kinderarmut.
Abgesehen vom rassistischen Unterton, ist diese Aussage als bemerkenswert ignorant oder als erschreckend naiv zu bezeichnen. Marcel Fratzscher, Vorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, erklärte daraufhin:
In vielen Fällen haben sich die "ursprünglich deutschen Familien" nur scheinbar aus der Armut befreit – sie stehen lediglich im Vergleich zu Migranten besser da.
Die Zunahme an sozial benachteiligten Familien aus dem Ausland verschob die Armutsgrenze und somit fallen jetzt deutsche Familien aus der Statistik, die nach wie vor arm sind.
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Kinderarmut in Deutschland – Jedes 5. Kind betroffen
Armut prägt das Gehirn ein Leben lang
Armut verursacht erheblichen Stress im menschlichen Organismus. Dieser Stress beeinflusst das Gehirn auf komplexe und vielschichtige Weise » siehe: Was Armut mit Kindern macht.
Ist ein Kind permanenten Stress ausgesetzt, beeinträchtigt das nachweislich die kognitiven Leistungen, die körperliche und psychische Gesundheit sowie die weitere Entwicklung.
Zum Beispiel wirkt sich Kinderarmut nachteilig auf die Funktionen des präfrontalen Kortex aus – quasi das Steuerzentrum des Gehirns. Dieser Bereich ist wichtig für die Emotionsregulation, Stressbewältigung, Lernen und Gedächtnis.
Andere Untersuchungen bestätigen diese Erkenntnis. Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben weniger graue und weiße Hirn-Substanz aufzuweisen. Darüber hinaus sind der Hippocampus (Gedächtnis- und Lernprozesse) und die Amygdala (Reflexe, Körperfunktionen, Gefühlsverarbeitung) verkleinert.
Vgl. auch Kinderarmut erkennen – subtile Anzeichen
Geld wirkt Entwicklungsproblemen durch Armut entgegen
Die Bekämpfung von Kinderarmut durch finanzielle Unterstützung könnte unmittelbare Folgen auf das Gehirn von betroffenen Kindern haben. Diese Erkenntnis geht aus einer Studie (1) hervor, in der Daten von 1.000 Müttern mit geringem Einkommen und ihren Neugeborenen einflossen. » vgl. Studie: Geld hat Einfluss auf kindliche Gehirnentwicklung
Schon nach 1 Jahr wurde ein Effekt festgestellt. Die Kleinkinder, deren Erziehungsberechtigte zusätzlich zu ihrem Einkommen eine monatliche Unterstützung erhielten, zeigten erhöhte Gehirnaktivitäten.
Der Zusammenhang scheint evident, doch die Gründe, warum zusätzliches Geld die Gehirnentwicklung von Babys verbessert, können vielfältig sein:
bessere Nahrung und Lebensmittelqualität
höhere Ausgaben zur Gesundheitsversorgung
Verringerung von Stress der Eltern
Verkürzung der Arbeitszeit der Eltern und somit mehr Zeit für die Kinder
Geld hilft armen Kindern und ihren Eltern
Wie sehr finanzielle Existenzsicherung auch auf Eltern in Armut wirkt, zeigt eine weitere bekannte Studie (2): Im Jahr 1994 eröffnete ein Stamm der Cherokee-Indianer ein Casino im Westen von North Carolina und teilte die Gewinne direkt mit allen Gemeinde-Mitgliedern.
Konkret: Jede Person erhielt pro Jahr eine Barauszahlung von 4.000 US-Dollar zusätzlich zu ihrem regulären Einkommen.
Zufällig erforschte Jane Costello, eine Professorin der Duke University, in der Region die psychische Gesundheit Minderjähriger. Die Ergebnisse hatten bereits gezeigt, dass bei Kindern, die in Armut aufwuchsen, sehr viel häufiger Verhaltensstörungen auftraten.
In den 1990er Jahren war die Erklärung populär, solche Probleme seien auf genetische Einflüsse zurückzuführen.
Doch die Forscherin konnte nach kurzer Zeit (nach der Casino-Eröffnung) eine deutliche Verbesserung des Zustands ihrer Probanden beobachten. Bei den Kindern, die Dank der Gewinnbeteiligung aus der Armut befreit worden waren, gingen die Verhaltensstörungen um 40 % zurück – erst jetzt entsprach ihr psychisches Wohlbefinden dem von Altersgenossen, die niemals materielle Entbehrungen kennengelernt hatten.
Weitere Effekte waren außerdem:
die Jugendkriminalität nahm ab
der Drogen- und Alkohol-Konsum reduzierte sich stark
die schulischen Leistungen verbesserten sich zunehmend und erreichten das Durchschnittsniveau
Wie Existenzsicherheit bessere Eltern macht
Geldleistungen für Familien wirken sich nicht nur positiv auf die Kinder aus, sondern ebenso auf ihre Eltern. Denn finanzielle Unsicherheit bedeutet Stress, wie oben bereits erwähnt.
Vor der Casino-Eröffnung mussten die Eltern im Sommer hart arbeiten und waren im Winter arbeitslos. Ein gehöriges Maß an Energie und psychischen Kapazitäten wurden durch wiederkehrende Existenzsorgen aufgefressen. Zwangsweise leidet auch das Familienleben darunter.
Anders nach der Befreiung aus der Armut. Die Familien konnten:
Geld sparen
Rechnungen rechtzeitig zahlen
mehr Zeit für die Kinder aufbringen (bei unveränderter Arbeitszeit)
Die Gründe dafür sind relativ einfach: Dank des Zusatzeinkommens hatten die Familien viel weniger Druck.
Die mentale und emotionale Kraft, die vorher von Sorgen aufgezehrt wurde, stand nun für das Familienleben und die Kinder zur Verfügung.
Misstrauen unbegründet
Geld kommt bei Kindern an
Allgemein herrscht Skepsis, ob Eltern finanzielle Leistungen für Familien tatsächlich für ihre Kinder ausgeben. Eine Studie von 2018 belegt klipp und klar (3): Direktzahlungen kommen so gut wie immer den Kindern zugute.
Im Zeitraum von 1984 bis 2016 wurden die Auswirkungen der Nutzung von staatlichen Leistungen für Familien in verschiedenen Bundesländern untersucht. Ergebnis: Kinder profitieren von unmittelbaren Geldüberweisungen durch den Staat.
Trotz weitverbreiteter Vorbehalte werden diese Direktzahlungen von Eltern in der Regel nicht missbraucht und zweckentfremdet (Alkohol, Tabak, Unterhaltungselektronik). Stattdessen investierten Eltern die finanziellen Familienhilfen in:
größere Wohnungen
qualitativ hochwertigere Kinder-Betreuung (vgl. kein Kindergartenplatz)
bessere Bildung für die Kinder
Freizeitaktivitäten & Hobbys für die Kleinen
Fazit: Geld hilft gegen Armut
Kinder sind die Zukunft einer Gesellschaft. Indem wir finanzielle Hilfe leisten, investieren wir nicht nur in das Wohlergehen und die Zukunft jedes einzelnen Kindes, sondern auch in die Zukunft der Gesellschaft als Ganzes.
Natürlich hilft Geld allein nicht, um Kinderarmut zu besiegen. Ebenso notwendig sind langfristige Maßnahmen wie Bildungsreformen, Arbeitsplatzbeschaffung und soziale Unterstützungssysteme.
Aber: finanzielle Hilfen sind ein essenzieller Bestandteil der Familien- und Kinderhilfe. Und diese können nachweislich einen bedeutenden Unterschied im Leben vieler betroffener Kinder schaffen.
Vgl. Kindergrundsicherung – ein Weg aus der familiären Armut
Quellen:
1) Sonya V. Troller-Renfree et. al: The impact of a poverty reduction intervention on infant brain activity (Studie 2022)
2) Akee RK, Copeland WE, Keeler G, Angold A, Costello EJ. Parents' Incomes and Children's Outcomes: A Quasi-Experiment. Am Econ J Appl Econ. 2010 Jan;2(1):86-115. doi: 10.1257/app.2.1.86. PMID: 20582231; PMCID: PMC2891175.
3) Bertelsmann Stiftung: Gegen Armut: Geld für Familien kommt bei Kindern an