Philosophische Fragen für Kinder – Beispiele & Methoden der Kinderphilosophie

Speziell für Kinder gibt es in der philosophischen Tradition 5 Methoden, die sich hervorragend auf die Anforderungen Heranwachsender anpassen lassen.

Methoden und Beispiele in der Philosophie für Kinder

Philosophie für Kinder

Hier geht es zum 1. Teil: Philosophieren mit Kindern

 

Moderne Kinderphilosophie

Kinder stellen Fragen, die uns Erwachsenen oft seltsam erscheinen. Und wir oft auch nicht so einfach beantworten können. Eine dieser typischen Kinderfragen ist zum Beispiel: “Kann mein Teddy mein Freund sein?”

Was für uns vielleicht irritierend klingt, ist für Kinder völlig weder ungewöhnlich noch irrational, sondern schlichtweg ein Versuch, sich Welt, Mensch und Sinn zu erschließen. 

Vgl. auch: Das Bild vom Kind – Was bedeutet Kind-sein?

 

Gemeinsam Antworten suchen

Philosophieren können Sie mit einem Kind allein im Dialog oder direkt mit einer ganzen Kindergruppe.

Von Bedeutung ist, dass es um eine gemeinsame Antwortsuche geht, in der respektvoll und wertschätzend Gedanken ausgetauscht werden. 

Es geht nicht um ein Gegeneinander und auch nicht um einen Wettstreit. Es geht allein um Gemeinsamkeit und die Freude am Gedankenspiel.

 

5 Beispiele & Methoden beim Philosophieren mit Kindern

Für die Antwortsuche von Kindern hat die Philosophie 5 Grundmethoden entwickelt:

  1. Die phänomenologische Methode

  2. Die hermeneutische Methode

  3. Die analytische Methode

  4. Die dialektische Methode

  5. Die spekulative Methode

 

1. Die phänomenologische Methode (nach Husserl)

Ausgangspunkt: Wahrnehmung und Beschreibung

Der Philosoph Edmund Husserl (1859-1938) ist Begründer der philosophischen Phänomenologie, die heute weitreichenden Einfluss in den Geisteswissenschaften genießt.

Husserls Motto: „Zurück zu den Sachen selbst“.

Anstatt unsere Wahrnehmung als bloßen Schein abzutun, war er überzeugt, dass die sinnliche Erfahrung und Wahrnehmung von Gegenständen die unmittelbare menschliche Erfahrung ausmacht. 

Das ist eine perfekte Ausgangslage, um mit Kindern und Jugendlichen zu philosophieren. Schließlich begann die Philosophie nicht gleich mit abstrakten Gedankengängen, sondern mit dem Greifbaren und Mehrdimensionalen.

Genau im Konkreten und sinnlich Wahrnehmbaren liegt die Stärke dieser Philosophie-Methode. Das Ziel: die Beobachtungs- und Wahrnehmungsfähigkeit von Kindern zu fördern. 

 

Beispiel zur phänomenologischen Methode mit Kindern

Wählen Sie einen Gegenstand, eine Person, eine Situation oder eine Verhaltensweise, die untersucht werden soll.

Die Kinder können das Objekt oder die Sachlage zunächst mit allen Sinnen ertasten, begreifen, untersuchen und dann beschreiben.

Erst in einem 3. Schritt wird der Reflexionsprozess eingeleitet. 

 

Bsp: Was heißt Natur? 

  • Nutzen Sie verschiedene Naturmaterialien (Blätter, Tannenzapfen, Stück Holz) zur Veranschaulichung

  • Lassen Sie die Kinder den Untersuchungsgegenstand mit allen Sinnen untersuchen. Die Kids dürfen tasten, schmecken, sehen, riechen und hören.

  • Jetzt kommt die Beschreibungsphase: Inspirieren Sie die Kinder, die Gegenstände nach Formen, Farben und Beschaffenheit zu beschreiben. 

  • Reflexionsphase: Jetzt können die Kinder darüber philosophieren, warum das Objekt/die Sache zur Natur gehört bzw. als natürlich verstanden werden kann.

 

2) Die hermeneutische Methode (nach Gadamer)

Ausgangspunkt: Gedanken und Symbole verstehen

Die Hermeneutik ist die philosophische Wissenschaft vom Verstehen und Begreifen. Und zwar von allem möglichen, insbesondere Texte, Kunstwerke, Musik, Taten oder Aussagen. Aus Tradition zielt die hermeneutische Methode auf die Deutung von Texten ab. 

Auf die Kunst der Textdeutung können Kinder bereits in der 1. Klasse eingehen. Natürlich werden hierbei keine schwierigen Original-Texte von Philosophen genutzt, sondern sorgsam ausgewählte Texte, die anschaulich und verständlich formuliert sind.

 

Beispiel zur hermeneutischen Methode in der Kinderphilosophie

Ein Text, der gerne mit kleineren Kindern untersucht wird, ist „Mit anderen mitfühlen“ von dem englischen Philosophen David Hume (1711-1776). Hier geht es um Empathie und Mitgefühl für andere Menschen.

Für dieses Vorgehen hat der amerikanische Philosoph Matthew Lipman eine Methode entworfen. Lipman ist überzeugt, Kindern werde durch geführte Fragen das Verständnis von Texten vereinfacht.

 

Beispiel: Was ist Mitgefühl? – Patnerinterview

  • Die Schüler lesen einen Text und stellen sich gegenseitig Fragen.

  • Der oder die Fragenstellende schreibt die Antworten in Stichworten auf ein Blatt Papier. Ebenso verfährt der Partner oder die Partnerin.

  • Auf diese Weise wird der Text in seinen Kernpunkten analysiert.

  •  Die beiden Schüler im Partnerinterview urteilen selbst, ob die Antworten passen oder nicht. 

  • Die Partnerarbeit kann dann zusammen mit der Klasse besprochen werden.

 

3) Die analytische Methode (nach Platon)

Ausgangslage: Begriffe klären und argumentieren

Die philosophische Begriffsanalyse ist ein Klassiker und wurde uns vom griechischen Philosophen Platon (ca. 428/27–348/47 v.Chr.) überliefert. Immer wieder ließ er seinen weisen Lehrer Sokrates in verschiedenen Schriftstücken mit Schülern über Begrifflichkeiten diskutieren. 

Einmalig ist Sokrates Fragetechnik durch ihre Konzentration auf Begriffsklärungen und Argumentationsstränge. 

Vgl. Konzentration bei Kindern fördern – 7 Übungen (Kita, Grundschule)

 

Beispiel zur analytischen Methode der Begriffsanalyse

Ziel ist es, abstrakte Begriffe (Glück, Gerechtigkeit, Freundschaft, Natur) die in Sinnfragen eine wesentliche Rolle spielen, in ihrer Bedeutung zu ergründen. Am besten gelingt dass durch die Untersuchung von Wortfeldern

  • Lassen Sie die Kinder ein Objekt oder ein Erlebnis auf ein Stück Papier malen oder zeichnen. Das Objekt oder Erlebnis soll mit dem untersuchten Begriff in Beziehung stehen. Zum Beispiel, was die Kinder mit Freundschaft verbinden.

  • Wenn alle fertig sind, werden die Zeichnungen  in einen Kreis gelegt – am besten so angeordnet, dass sich die Form einer Blume ergibt. Natürlich können mehrere Blumen entstehen..

  • Die Mitte der Begriffsblume ziert schließlich ein Symbol für Freundschaft (zum Beispiel die Gesichter zweier Kinder oder ein Freundschaftsarmband). Sie können auch einfach nur das Wort “Freunde” in einen Kreis einzeichnen und das Blatt in die Mitte legen.

  • Die Zeichnungen der Kinder sollen die Blütenblätter darstellen, welche um die Mitte der Begriffsblume liegen. Ziel ist es, zu verdeutlichen, dass ein Begriff durch andere Begriffe beschreibbar ist.

 

Bsp: Argumentation & Begründen

Mindestens genauso wichtig wie die Begriffsanalyse, ist die Argumentation in der Philosophie mit Kindern. Hat ein Kind eine Meinung, sollte es angehalten werden, diese zu begründen.

Dabei wird in der Regel zwischen empirischen und nichtempirischen Argumenten unterschieden. Nichtempirische Argumente sind das Hauptinstrument der Philosophie. 

  1. Empirische Gründe sind Tatsachen-Informationen, die nachgeprüft werden können

    Bsp: „Ich bin zu spät in den Unterricht gekommen, weil der Schulbus Verspätung hatte“

  2. Bei der 2. Argumentationsform handelt es sich um sogenannte Verstehensargumente, die das Verständnis einer Handlung bzw. eines Urteils „verbessern“ sollen.

    Beispiel: „Menschen benötigen Freunde, weil sie in Notlagen nicht gern allein sind.“ 

Vgl. auch: Kind hat keine Freunde im Kindergarten – Ursachen & Tipps

 

4) Die dialektische Methode (nach Sokrates)

Das sokratisches Gespräch

Die dialektische Methode wird auf den griechischen Philosophen Sokrates (ca. 470–399 v.Chr.) zurückgeführt. Mit gezielten Fragetechniken brachte er seine Gesprächspartner zum Nachdenken.

Sokrates Anliegen war es, die bloße Meinung (doxa) zu als ungesichertes Schein-Wissen zu erkennen und zum überprüften Wissen zu gelangen. Wenn von Wissen im Zusammenhang mit der sokratischen Methode die Rede ist, dann geht es nicht um ein absolutes Wissen im Sinne einer letzten, unumstößlichen Gewissheit. 

Daher endeten viele Gespräche des Sokrates in der sogenannten Aporie:  der Ausgang bleibt offen. Stattdessen eröffnet sich den Gesprächspartnern ein Feld an möglichen Lösungen, Ansätzen und Denkfiguren.

Auf den Punkt gebracht: so ein vieldeutiger und moralischer Begriff wie Gerechtigkeit lässt sich nicht endgültig definieren. Dagegen können mehrere Aspekte zum Vorschein kommen, wie gesetzliche Gleichheit, materielle Grundversorgung etc.

 

3 Merkmale des sokratischen Gesprächs

Für das Philosophieren mit Kindern sind vor allem drei Merkmale der klassischen sokratischen Gesprächsmethode wichtig: 

  1. der Ausgangspunkt von lebensweltlichen Erfahrungen 

  2. das Miteinander-Denken 

  3. die Vorläufigkeit möglicher Antworten

Die Empathiefähigkeit, das „Sich-hineinversetzen in andere“ ist die notwendige Bedingung für sokratische Gespräche mit Kindern, gegenseitige Akzeptanz & Wertschätzung ist der notwendige Startpunkt. 

 

Bsp: Blitzlicht

  • Lassen Sie die Kinder zu einer Sinnfrage brainstormen. Zum Beispiel: „Können Kuscheltiere Freunde sein?“

  • Jedes Kind darf sagen, was ihm bei der Frage durch den Kopf geht.

  • Das geht auch schriftlich: Kopf auf ein Blatt Papier zeichnen, für alle Kinder kopieren und austeilen. In den Kopf wird nun ein Gegenstand oder Stichwort gemalt, das zur Frage passt. 

  • Anschließend können die Blitzlichter in einen Kreis gelegt werden und sollen Gespräche anregen. 

 

5) Die spekulative Methode in der Kinderphilosophie

Gedankenexperimente durchführen

Beim Philosophieren spielen nicht nur Argumente und Logik eine Rolle, sondern auch Fantasie und Imaginationskraft.

Gedankenexperimente sind ebenfalls eine beliebte Denkfigur in der Philosophie. Dabei wird ein Gedanke von der Wirklichkeit auf eine fiktive Situation oder Realität übertragen.

Zum Beispiel: “Wie wäre eine Welt ohne Tiere?”

Natürlich können auch Gedankenexperimente schriftlich oder mündlich initiiert werden - eben so, wie es die Situation erfordert.

 

Bsp: Gedankenexperiment

Gedankenexperimente lassen sich durch ihre Form charakterisieren. Sie werden oft folgendermaßen formuliert: 

  • „Was wäre, wenn (nicht)...”

  • “Stellt euch mal vor…“ 

  • konkrete Beispielfrage: „Was wäre, wenn Tiere die gleichen Rechte wie Menschen hätten?“ 

 

Fazit: Methoden in der Philosophie für Kinder

Die 5 Grundmethoden des Philosophierens mit Kindern sind nicht zufällig gewählt, sondern eine spezielle Technik für Heranwachsende, tiefer in die Welt der Gedanken, Vorstellungen und Bedeutungen einzusteigen. 

Vgl. Die 5 Entwicklungsbereiche von Kindern – Ein Überblick


Quellen:

1) Universität Hamburg
2) Barbara Brüning: Philosophieren mit Kindern
3) Martin Textor: Kita-Handbuch
4) Philosophisch-Politische Akademie (PPA) e.V. Bonn 
5) Institute for the Advancement of Philosophy for Children (IAPC)
6) ICPIC The International Council of Philosophical Inquiry with Children
7) Institut für Kinderphilosophie in Österreich

Tamara Niebler

Tamara ist studierte Philosophin (Mag. phil.) & freie Journalistin in München. Sie unterstützt unsere Redaktion mit jeder Menge Fachwissen und kritischen Denkanstößen. Tamaras Motto: „Wege entstehen dadurch, dass wir sie gehen“ (Franz Kafka)

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