Kindheit prägt das Leben – Eltern-Bindung & spätere Gesundheit
Die Qualität der Beziehung zwischen Eltern und Kindern hat einen erheblichen Einfluss auf die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter – und das unabhängig von kulturellen und geografischen Unterschieden.
„Man kann in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein.“
Infos im Überblick
Frühe Einflüsse: Unsere frühen Erfahrungen mit den Eltern sind entscheidend für unsere spätere psychische Gesundheit und unser allgemeines Wohlbefinden.
Weltweite Studie: die folgende Studie hat Belege dafür gefunden, dass die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung weltweit (in 21 verschiedenen Ländern) mit der psychischen Gesundheit im Erwachsenenalter zusammenhängt.
Ergebnis: Die Forscher fanden, dass eine gute Beziehung zu den Eltern in der Kindheit später zu besserer psychischer Gesundheit führt.
Daten: Diese positiven Zusammenhänge sind in fast allen untersuchten Ländern nachweisbar und wurden anhand von 200.000 Interviews und Umfragen bestätigt.
Psychische Auffälligkeiten beginnen meist in der Kindheit
Die heutige Psychologie geht davon aus, dass viele psychische Erkrankungen oder Probleme schon in der Kindheit ihren Anfang nehmen: “Vor allem negative Bindungserfahrungen hinterlassen im adulten Gehirn eine „Stressnarbe“.” (3)
Menschen haben ein natürliches und biologisches Bedürfnis nach engen, zwischenmenschlichen Bindungen. Dabei geht es um die emotionale Bindung zu bestimmten Bezugspersonen, die nicht ersetzbar sind (z. B. Mutter und Vater). Immer, wenn Kinder sich nicht selbst regulieren können, brauchen sie Nähe, Trost und Schutz von ihren Bindungspersonen. Das gilt vor allem bei Angst, Trauer oder Krankheit.
In den meisten Fällen ist die Mutter die wichtigste und erste Bezugsperson. Reagiert sie einfühlsam und zuverlässig auf die kindlichen Bedürfnisse, kann ein Kind Urvertrauen / Resilienz aufbauen. Hier sollen insbesondere die ersten 18 Monate entscheidend sein.
Vgl. auch Bindungstrauma und bindungsorientierte Erziehung
Wichtige Erkenntnisse über die Rolle der Kindheit
Psychologen haben lange den Zusammenhang zwischen frühen Lebenserfahrungen und psychischer Gesundheit erforscht. Ein Schlüsselaspekt dabei ist die Eltern-Kind-Beziehung. Frühere Untersuchungen deuteten bereits darauf hin, dass diese Beziehung das Wohlbefinden im Erwachsenenalter beeinflusst.
Allerdings basierten diese Studien oft auf kleinen, länderspezifischen Stichproben.
Umfangreiche Datengrundlage
Die Forscher Rothwell und Davoodi analysierten in einer neuen Studie zum Thema Daten aus 21 Ländern und untersuchten 200.000 Erwachsene durch Interviews und Umfragen. Sie wollten eine maximale religiöse und ethnische Vielfalt erreichen und haben daher Länder aus allen größeren geografischen Regionen der Erde einbezogen. Durch die Validierung von Indizes für Wohlbefinden und psychische Gesundheit konnten sie präzise Aussagen treffen.
Deutliche Zusammenhänge entdeckt
Die Forscher stellten fest, dass die retrospektive Qualität der Eltern-Kind-Beziehung sowohl das Wohlbefinden als auch die psychische Gesundheit im Erwachsenenalter mit erheblichen Effektstärken vorhersagte. Ein positiver Zusammenhang zwischen Beziehungsqualität und Wohlbefinden wurde in fast allen untersuchten Ländern bestätigt.
Einfluss der Religion
Interessanterweise sagte die elterliche Religiosität die Beziehungsqualität positiv voraus. In reicheren und säkularisierten Ländern war die Beziehungsqualität zwar geringer, aber der Nutzen für das Wohlbefinden war dort besonders hoch.
Ausblick & Schlüsse
Die Ergebnisse dieser Studie sind sicher nicht neu, aber bieten zahlreiche praktische Implikationen für Politik, Bildung, Forschung und Prävention. Zum Beispiel die große Bedeutung von frühzeitigen Interventionen, Unterstützungsprogrammen für Familien, frühkindliche Förderung usw.
So könnten Bildungseinrichtungen und soziale Dienste anhand dieser Informationen spezielle Programme entwickeln, die auf die Stärkung der Eltern-Kind-Beziehung abzielen.
In Bezug auf Kinderarmut zeigt sich, dass es wichtig ist, die Gesamtsituation der Kinder zu verbessern. Kinderarmut ist immer Familienarmut, ohne Ausnahme.
Fazit: Kindheit prägt das Leben
Kindheiten verlaufen sehr unterschiedlich. Für viele Erwachsene war die Kindheit eine Zeit des Spielens und Entdeckens. Sie erinnern sich an unbeschwerte Tage, an denen sie sich einfach ausprobieren konnten, ohne Druck und Angst. Für andere hingegen war die Kindheit eine gefährliche Phase. Sie fühlten sich hilflos und abhängig, wurden verletzt, missbraucht oder entmutigt.
Frühkindlicher Stress, der durch negative Erfahrungen in der Bindung entsteht, aktiviert im Gehirn ähnliche Bereiche wie diejenigen, die bei Panikattacken oder körperlichem Schmerz aktiv sind.
Wie die Kindheit empfunden wurde, beeinflusst das eigene Verhalten als Elternteil immer. Die Prägungen aus der Kindheit wirken bis ins Erwachsenenleben und bestimmen auch, wie wir mit unseren eigenen Kindern umgehen können. Zu starken kleinen Persönlichkeiten entwickeln sich Kinder, wenn ihre Bezugspersonen kontinuierlich zeigen:
Du bist nicht allein.
Du bist wertvoll und wichtig.
Du kannst etwas erreichen.
Quellen:
1) Psylex.de – Quellenangabe: Communications Psychology (2024)
2) Rothwell, J.T., Davoodi, T. Parent-child relationship quality predicts higher subjective well-being in adulthood across a diverse group of countries. Commun Psychol 2, 110 (2024). https://doi.org/10.1038/s44271-024-00161-x
3) Wettig, Jürgen: Eltern-Kind-Bindung: Kindheit bestimmt das Leben (Dtsch Arztebl 2006; 103(36): A-2298 / B-1992 / C-1922)