Kinderpatenschaft – Es gibt sinnvollere Hilfsmöglichkeiten
Kinderpatenschaften sind heute beliebt. Sie sollen helfen, ein Kind in einem Entwicklungsland oder in prekären Lebensverhältnissen regelmäßig zu fördern. Doch die Patenschaft für ein einzelnes Kind ist meist weniger hilfreich, als viele Menschen denken.
Bessere Kinderhilfe ohne individuelle Patenschaft
Vielen Menschen möchten direkte Hilfe leisten und entscheiden sich daher für eine Kinderpatenschaft. Dahinter steckt die Vorstellung, ein bestimmtes Kind, zum Beispiel in Afrika, zu fördern, seine Bildung zu unterstützen und dadurch eine positive Zukunft in Aussicht zu stellen. Der Gedanke hat natürlich etwas für sich: Patinnen und Paten wissen vermeintlich genau, wofür ihre Spenden verwendet werden.
Das persönliche Engagement, das hier zum Ausdruck kommt, ist mehr als toll! Als Kinderhilfe müssen wir Kinderpatenschaften allerdings kritisch sehen. Unser Ansatz verfolgt das Ziel, kollektive Hilfe für Kinder zu bieten, die in Armut aufwachsen. So stoßen wir eine positive Veränderung in der gemeinschaftlichen Entwicklung an.
Kritik an Kinderpatenschaften
Schon in den 1970er- und 1980er-Jahren waren Kinderpatenschaften ein heiß diskutiertes Thema unter Hilfsorganisationen. Daher entschied sich die Kinderhilfe Deutsche Lebensbrücke früh und v. a. bewusst gegen Patenschaftsprogramme. Die Gründe:
Patenschaften helfen nur symptomatisch einzelnen Fällen, ohne die tieferliegenden Ursachen von Armut und Entwicklungsdefiziten anzugehen.
Die individuelle Förderung von Kindern führte zu Isolation und Neid unter den Kindern.
Der hohe Verwaltungsaufwand, der mit Patenschaften verbunden ist, macht sie zu einer kostspieligen Angelegenheit.
Die Risiken der individuellen Kinderpatenschaft
Sowohl Paten als auch Patenkinder können unter dem Druck hoher Erwartungen stehen. Wenn diese nicht erfüllt werden, sind Frustration und Enttäuschung oft die Folge.
Ein weiterer Punkt ist die Verlässlichkeit der Unterstützung: Wenn ein Pate unvermittelt sein Engagement beendet, steht das Patenkind allein da. Das Kind selbst wird kaum verstehen, warum es nicht mehr unterstützt wird. Zurück bleibt das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Solche Erfahrungen wirken sich prägend auf die Entwicklung eines Kindes aus.
Auf den ersten Blick mag das klassische Modell – „der Reiche hilft dem Armen“ – wohlwollend erscheinen, doch es trägt dazu bei, negative Stereotype zu verfestigen. Dieses patriarchalische Muster wird häufig durch Erwartungen verstärkt, die Kinder sollten ihrer Dankbarkeit Ausdruck verleihen, indem sie Briefe an ihre Paten schreiben. Das fördert eher ein Bild von Abhängigkeit, als dass es Selbstbestimmung und Unabhängigkeit unterstützt.
Die Konzentration auf einzelne Kinder führt innerhalb einer Gemeinschaft rasch zu Neid und Eifersucht. Noch schwerwiegender ist es, wenn ein Kind aus einer afrikanischen Familie gefördert wird, in der es mehrere Kinder gibt. Werden Patenschaften nur an einzelne vergeben, entstehen Ungerechtigkeiten gegenüber den Geschwistern. In der Folge verschlechtert sich das Familienklima.
Kinderpatenschaft als Marketing-Instrument
Für Kinderpatenschaften wird oft herzzerreißend geworben. Die Bildsprache ruft unseren Beschützer-Instinkt hervor. Allerdings ist diese hochemotionale Werbung problematisch, wenn Einzelunterstützung suggeriert wird, obwohl in der Praxis die Förderung von Projekten im Fokus steht.
Sehr viele bekannte Hilfsorganisationen machen ihre Gemeinschaftsförderung transparent, doch leider längst nicht alle.
Wichtig ist uns daher zu betonen, dass unsere Projekte stets Gruppen und Gemeinschaften zugutekommen – Ausnahmen bilden unsere Projekte für Besondere Kinder und Besondere Hilfe. Denn nur durch eine Förderung von Gruppen oder Gemeinwesen lässt sich nachhaltige Veränderung bewirken.
Die Würde des Kindes schützen
Viele wünschen sich einen persönlichen Kontakt zum Patenkind oder möchten ihre „Schützlinge“ sogar zu Hause besuchen. Wieder andere wollen direkt Einfluss auf die Entwicklung des Kindes nehmen. Wie zuvor erwähnt, das alles ist verständlich und Ausdruck von Verantwortungsbewusstsein und Hilfsbereitschaft.
Doch solche Formen der Kinderpatenschaft verletzen die kindliche Würde. Wie bei einer Ausstellung im Schaufenster wird das Kind hervorgehoben – oft mit Bildern und Geschichten, die eine Botschaft der absoluten Hilflosigkeit vermitteln. Die Form der Darstellung ist hier das Problem. Sie nimmt Einfluss auf das Selbstbild des Kindes, das als bedürftig und abhängig von fremder Hilfe porträtiert wird. Es wird zu einem Objekt der Fürsorge, anstatt sich als eigenständige Person mit eigenen Stärken und Fähigkeiten wahrzunehmen.
Kindern nachhaltig helfen
Bei allen Kinderhilfsprojekten ist darauf zu achten, dass durch unsere Hilfe kein Wettbewerb zwischen denjenigen entsteht, die wir unterstützen. Es ist uns besonders wichtig zu betonen, dass die Kinder und Menschen, die an unseren Projekten teilnehmen, nicht einfach nur Hilfsempfänger sind. Vielmehr ermöglicht unsere Unterstützung es ihnen, ihre Zukunft selbst zu gestalten.
Genauso wichtig ist es, die Wurzeln und Mechanismen von Kinder- und Familienarmut klar zu kommunizieren. Hier geht es schließlich nicht um kurzfristige Erfolge, die gut in den Medien aussehen, sondern um echte, beständige Verbesserungen, die langfristig Bestand haben sollen.
Sinnvolle Alternativen zur Kinderpatenschaft
Es gibt einige wirkungsvolle Alternativen zur traditionellen Kinderpatenschaft, in denen du dein soziales Engagement sinnvoll einsetzen kannst. Das hat den klaren Vorteil, dass Ressourcen gerecht verteilt werden und kein Konkurrenzdenken unter den Kindern entsteht.
Schüler-Patenschaft in Liberia (Afrika)
Bei unseren Projekten in Afrika richten wir den Fokus auf arme Kinder, indem wir unter anderem den Zugang zu Bildung, sauberem Trinkwasser und medizinischer Versorgung ausbauen.
Durch die Förderung von Bildungsprojekten erhalten die Jungen und Mädchen das Werkzeug, welches sie brauchen, um ihre Zukunft aktiv zu gestalten und ihre Lebenssituation langfristig zu verbessern.
Schulprojekt-Patenschaft in Monrovia
(Liberia in Afrika)
Arme Kinder in Afrika haben nur eine Chance auf ein besseres Leben: Bildung! Mit diesem Projekt unterstützen wir betroffenen Kinder in Liberia, Wege aus der Armut zu finden und sich eine echte Zukunft aufzubauen.
Dank dieser Schul-Patenschaft in Afrika können wir mehrere Kinder gleichzeitig guten Unterricht ermöglichen.
Projekt-Patenschaft in Deutschland
Der Frühstücksklub ist ein weiteres Beispiel für unsere Arbeit. Er richtet sich an arme Kinder in Deutschland, die ohne ausreichende Ernährung in den Tag starten. (Vgl. Warum Kinderfrühstück so wichtig ist)
Durch die Bereitstellung eines gesunden Frühstücks stellen wir sicher, dass die Kinder konzentriert und gestärkt am Unterricht teilnehmen können.
Dies trägt wesentlich zu ihrem Wohlbefinden und ihren Bildungschancen bei.
Familien-Patenschaften in Deutschland
Auch Projekte für Familien in Not sind im Grunde Patenschaften.
Schließlich handelt es sich auch hier um eine umfassende Hilfe, die darauf ausgerichtet ist, ganze Familien zu unterstützen, die sich in akuten Krisensituationen befinden.
Ziel ist es, den Betroffenen dabei zu helfen, wieder auf eigenen Beinen zu stehen und ihnen Zukunftsperspektiven zu eröffnen.
Fazit: Kinderpatenschaft & Alternativen
Kinderpatenschaften sind zwar gut gemeint, stoßen jedoch in mehrfacher Hinsicht an ihre Grenzen. Unsere Erfahrung zeigt, dass eine umfänglichere Herangehensweise braucht, um einen echten Unterschied im Leben bedürftiger Kinder und deren Familien zu bewirken.
Das Konzept der individuellen Kinderpatenschaft verkörpert eine scheinbar direkte Hilfsbeziehung, schafft jedoch ein Abhängigkeitsverhältnis und oft auch soziale Probleme. Hier sind Projekte wie Schüler-Patenschaften und Projekt-Patenschaften gute Alternativen, um Ressourcen gerechter zu verteilen und langfristige Hilfe zu bieten.
Quellen:
1) Dr. A. Scheunpflug: Die öffentliche Darstellung von Kinderpatenschaften. Eine kritische Bestandsaufnahme aus entwicklungspädagogischer Sicht (F.A. Uni Erlangen-Nürnberg 2005 PDF)
2) Sebastian Schwiecker: Kinderpatenschaften: Macht es Sinn zu spenden?
3) Jörg Reschke: Warum Kinderpatenschaften ein schwieriges Mittel im Fundraising bleiben