Formen der Diskriminierung in der Schule
Wenn Kinder sich herabgesetzt fühlen
Diskriminierung hat viele Gesichter. Wie zeigt sie sich bei Kindern? Welche Auslöser und Ursachen gibt es?
Was ist Diskriminierung?
Diskriminierung bedeutet eine unterschiedliche Behandlung von Menschen. Sie findet täglich statt, sie findet überall statt.
Diese ungleiche Behandlung kann auf verschiedenen Merkmalen beruhen. Sie kann aus unterschiedlichsten Motivationen heraus stattfinden.
Formen der Diskriminierung
Diskriminierung kann in vielen verschiedenen Formen vorkommen. Oft ist Menschen nicht einmal bewusst, dass sie diskriminierend handeln.
Am wohl bekanntesten ist die unmittelbare Diskriminierung. Hier wird die betroffene Person direkt konfrontiert. Es gibt allerdings noch viele andere Ausprägungen.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes 1) unterscheidet die einzelnen Formen der Diskriminierung folgendermaßen:
Unmittelbare Diskriminierung
Eine unmittelbare Diskriminierung besteht, wenn eine Person gegenüber einer anderen Person in einer vergleichbaren Lage diskriminiert wird. Das wäre beispielsweise eine Benachteiligung bei der Arbeitssuche, wegen der Herkunft, Religion oder dem Geschlecht. » Rassismus unter Kindern sowie » Rassismus in der Schule
Mittelbare Diskriminierung
Die Diskriminierung erfolgt nicht aufgrund von bestimmten Merkmalen. Vielmehr resultiert sie aus scheinbar neutralen Kriterien, wirkt sich aber auf bestimmte Bevölkerungsgruppen negativer aus als auf andere.
Man kann von mittelbarer Diskriminierung sprechen, wenn beispielsweise ein Stellenangebot Deutsch als Muttersprache für eine Tätigkeit verlangt, auch wenn es für die Tätigkeit nicht notwendig wäre.
Belästigung
Belästigungen haben das Ziel, eine Person einzuschüchtern, zu beleidigen oder zu erniedrigen. Belästigungen können Teil von Mobbing sein.
Das heißt, dass die Belästigung nicht nur einmalig stattfindet. Sie ist zielgerichtet und hat die Persönlichkeitsverletzung der gemobbten Person zum Ziel.
Anweisung zur Benachteiligung
Die Anweisung zur Benachteiligung ist auch eine Benachteiligung und Diskriminierung. Ein Beispiel wäre, wenn ein Arbeitgeber die Personalverantwortlichen anweist, Bewerbungen von kopftuchtragenden Frauen von vornherein abzulehnen.
Mehrfach- oder mehrdimensionale Diskriminierung
Diese Form der Diskriminierung entsteht, wenn verschiedene Diskriminierungsgründe zusammenkommen und sich wechselseitig verstärken. Die Person wird beispielsweise wegen ihrer Religion und ihrem Geschlecht gemobbt.
Intersektionale Diskriminierung
Hiermit ist das spezifische Zusammenwirken oder „Überlappen“ von unterschiedlichen Diskriminierungsmerkmalen gemeint. Diese Merkmale sind nicht voneinander zu trennen und beeinflussen sich wechselseitig. Beispielsweise bewirkt der soziale Status einer Familie, und die wirtschaftliche Situation der Eltern eine Benachteiligung.
Die Formen der Diskriminierung in der Schule und ihre Folgen bei Kindern
Diskriminierung jeglicher Art bei Kindern hat einen stark negativen Einfluss auf die kindliche Entwicklung - egal, ob sie absichtlich oder unabsichtlich passiert. Egal, um welche Form der Diskriminierung es sich handelt.
Das kindliche Identitätsempfinden wird nachhaltig geschwächt. Das Selbstbewusstsein des Kindes leidet. Die erlebten Erfahrungen können unter Umständen sogar traumatisierend sein.
Die Unterschiede zwischen Diskriminierung und Mobbing
Bei Diskriminierung gibt es immer ein bestimmtes und festes Motiv, einen Grund. Bei Mobbing ist es eher ein zufälliges Opfer, das ausgewählt wird. In der Schule verschwimmen die Grenzen zwischen beidem.
Zudem können gerade kleinere Kinder die Tragweite ihres Verhalten anderen gegenüber oft nicht abschätzen.
Beides, Diskriminierung und Mobbing bedeutet, dass das Kind sich nicht schützen kann.
Als erwachsener Mensch kann man den Arbeitsplatz kündigen, Freunde wechseln oder andere Maßnahmen ergreifen. Ein Kind ist der Klassengemeinschaft ausgeliefert. Die Verletzungen sind oft sehr tief und hinterlassen Spuren.
In manchen Fällen veranlassen die Eltern einen Schulwechsel. Nicht selten wird das Kind in der neuen Schule weiter diskriminiert und ausgegrenzt.
Vgl. auch: Kind hat keine Freunde im Kindergarten – Ursachen & Tipps
Diskriminierung kann auch nonverbal sein
Es gibt das Sprichwort “Wenn Blicke töten könnten”. Ein abfälliger Blick kann Kindern genauso weh tun, wie verletzende Worte.
Von Diskriminierung betroffene Kinder spüren, wenn sie ablehnend angesehen werden. Sie nehmen wahr, wenn ein verächtlicher Blick von oben nach unten wandert. Im Laufe der Zeit entwickeln viele von ihnen ein regelrechtes Warnsystem für diese Situation.
Auch nonverbale Distanz kann diskriminierend sein. Die Klassenkamerad*innen meiden das betroffene Kind. Sie kommen ihm oder ihr nicht zu nahe, machen einen Bogen um ihn oder sie.
Die Ausgrenzung wird eigentlich nicht, aber dennoch sehr deutlich, kommuniziert.
Die (Aus-) wirkungen der elterlichen Beeinflussung
Eltern haben einen großen Einfluss auf ihre Kinder. Viele Eltern geben ihren Kindern sehr genau vor, mit wem sie Kontakt haben sollen und mit wem nicht.
Gerade, wenn die Eltern sie nicht auf die Folgen von (ungewollter) Diskriminierung aufmerksam machen, werden sie für die Gefahren dieses Verhaltens nicht sensibilisiert.
Diese Art der Richtungsgebung und Führung beeinflusst Kinder auch im Umgang mit Altersgenoss*innen. Was die Eltern als “keinen Umgang” bewerten, verinnerlichen Kinder in vielen Fällen mit der Zeit.
Alle Formen von Diskriminierung in der Schule machen einsam und verunsichern
Während erwachsene Menschen die Folgen von Diskriminierung verstehen können, ist das für Kinder schwieriger. Besonders kleinere Kinder verstehen kaum, welche Folgen Diskriminierung und Mobbing haben können.
Sich als anders als normal wahrzunehmen, ist für ein betroffenes Kind schwierig, oft sogar traumatisierend.
Wer sich ausgegrenzt fühlt, grenzt sich selbst zunehmend selbst aus. Das betroffene Kind fühlt sich nicht “richtig”. Es lernt jeden Tag auf’s Neue: Ich bin anders als die anderen.
Das hat weitreichende Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung.
Wie zeigen sich die Formen der Diskriminierung in der Schule?
Diffuse Wahrnehmung
Unabhängig von ihrer Herkunft: Manche Kinder haben Glück. Sie erleben in ihrer Kindheit relativ wenige Benachteiligungen und negative Resonanz.
Sie sind in einer Klasse, in der Toleranz großgeschrieben wird. Die Klassengemeinschaft ist gut und stabil.
Die Klassenkamerad*innen lachen nicht über die neue Brille, legen keinen Wert auf Designer-Kleidung, erwarten kein gruppenkonformes Verhalten und integrieren auch ruhigere oder auffällige Schüler*innen.
Aber selbst hier kann eine ungewollte Diskriminierung passieren. Auch wenn Kinder manche Dinge noch nicht bewusst wahrnehmen oder beschreiben können: Sie merken, wenn etwas anders ist, als sie es kennen.
So nehmen schon Kindergarten- und Grundschulkinder bei Besuchen zuhause bei Klassenkameraden deutlich wahr, wenn sich beispielsweise die Mutter nicht um ihr Kind kümmert, stattdessen die Nachmittage vor dem Fernseher verbringt, raucht, die Wohnung spärlich eingerichtet ist.
Das Kind wird vielleicht seinen Eltern erzählen, dass es „seltsam“ bei dem Kind und seiner Mutter zuhause ist. Aber den Zusammenhang versteht es nicht. Gleichzeitig wird es vielleicht anderen Freunden von dieser Wahrnehmung erzählen.
Kleidung
In vielen Ländern ist eine Schuluniform Pflicht. Das hat Vor- und Nachteile. Ein klarer Vorteil ist, dass es beispielsweise das Gemeinschaftsgefühl einer Klasse steigern kann. Zudem klammern Kinder so das Thema Markenkleidung aus der Schulumgebung aus.
Andererseits ist Mode und Kleidung auch die Möglichkeit des Ausdrucks von Individualität. Wieder andererseits ist sie ein Maßstab. Wer nicht mit der Mode gehen kann oder auch will, ist klar ersichtlich anders.
Manchen Kindern ist es, unabhängig von den elterlichen finanziellen Möglichkeiten, nicht wichtig, was sie tragen. Andere haben schon in jungen Jahren ein ausgeprägtes Modebewusstsein. Sie achten sehr stark darauf, was sie - und andere - tragen.
Diskriminierung fängt hier nicht erst mit einem abfälligen Kommentar an. Vielmehr beginnt sie mit (gefühlt) abschätzigen Blicken. Dieses Gefühl des beurteilt werdens kann sich stark auf das kindliche Selbstwertgefühl auswirken.
Sichtbare Folgen der Ernährung
Kinder, die zuhause gesund und vitaminreich ernährt werden, haben sichtbare Vorteile. Sie sind eher selten übergewichtig. Übergewicht ist eine der häufigsten Gründe, warum Kinder in der Schule gemobbt und diskriminiert werden.
Sie können altersgerechte (und noch höhere) Leistungen in Unterricht und den Sportstunden erbringen.
Etwa jedes vierte Kind geht morgens ohne Frühstück in die Schule. Auch das nehmen die Klassenkameraden wahr. Sie hören, wenn einem betroffenen Kind vormittags ständig der Magen knurrt.
Das Kind fragt vielleicht die Klassenkamerad'*innen, ob es etwas vom Pausenbrot haben darf. Es kauft sich in der Pause vielleicht einen Donut oder Muffin. Oder es hat stark zuckerhaltige Snacks dabei, die weder sättigen noch die Aufmerksamkeit unterstützen.
Aufgrund der mangelhaften Ernährung kann sich das Kind auffällig verhalten. Es fällt ihm oder ihr schwer, sich zu konzentrieren
Finanziell schwierige Situationen
Klassenkamerad*innen, denen es finanziell besser geht, haben einen klaren Vorteil. Ausreichend Geld zuhause ist natürlich keineswegs ein Garant für eine glückliche Kindheit. Aber es macht die Kindheit in Bezug auf diesen Aspekt auf jeden Fall sorgenfreier.
Kinder aus bessergestellten Familien müssen sich nicht überlegen, ob sie an einer Klassenfahrt mit extra Taschengeld teilnehmen können. Sie haben teure Schultaschen und nehmen ganz selbstverständlich an Aktivitäten wie einem Schüleraustausch teil.
Wenn es den Klassenkamerad*innen finanziell besser geht, kann es diskriminierend sein, wenn ein Kind sich Klassenfahrten nicht leisten kann. Um die Hilfe bitten zu müssen, kann schwer sein. Zu erleben, dass die Klassenkameraden wissen, dass man wenig oder kein Geld dabei hat, beeinflusst die persönliche Freiheit - und das Selbstbewusstsein.
Allein der Informationszettel vor der Klassenfahrt, auf dem auf die Möglichkeit der finanziellen Unterstützung hingewiesen wird, genügt, um sich arm, anders, diskriminiert zu fühlen.
Hobbys und Freizeitgestaltung
Kinder, die diskriminiert werden, fühlen sich oft wenig frei und unbeschwert.
Man könnte fast sagen, dass die Hobbys und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten für Kinder mittlerweile zu große Ausmaße annehmen. Spontan draußen spielen ist für viele Kinder eher Mangelware.
Die positive Seite daran ist, dass die Kinder eine gute Bildung erhalten. Ob Klavierunterricht oder Tennis, Englischstunden oder Fußball: Freizeitaktivitäten bilden, machen Freude und sind wichtige Hobbys.
Kinder, die bei Weihnachtsfesten nicht ein Musikstück auf dem Klavier oder der Flöte vorspielen können, nicht Teil eines Clubs oder Vereins sind, sind klar benachteiligt. Auch das kann diskriminierend sein.
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Berufsaussichten- und Chancen
Für Kinder aus bestimmten Bevölkerungsgruppen kommen bestimmte Berufsgruppen kaum in Frage. Es verlangt dem betroffenen Kind viel innere Stärke und Durchsetzungsvermögen ab, dennoch dem Traum zu folgen.
Von Kindern aus Akademikerfamilien hingegen wird klar erwartet, dass sie nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln. Nach dem Abitur folgt das Studium.
Bereits ab der dritten Klasse beginnt auch unter den Kindern der Wettbewerb: Wer schafft es auf das Gymnasium? Wer geht “nur” auf die Realschule? Und wer muss auf die Hauptschule? Plötzlich wird aus der Schulklasse eine akademische Klassengesellschaft.
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Sicht- und wahrnehmbare Unterschiede im Habitus
Unter dem Habitus versteht man das gesamte Erscheinungsbild eines Menschen, sein Aussehen und sein Verhalten. Die Unterschiede zeigen sich in den individuellen Zielen im Leben, im Umgang mit sozialen Situationen, dem Verständnis von sich selbst.
Beispielsweise merken Kinder aus sozial benachteiligten Familien schon früh, dass ihre Ausdrucksweise, ihre Sprache, ihr Verhalten, anders ist. Das führt oft zu Verallgemeinerungen, zu Mobbing und zu Diskriminierung. Viele betroffenen Kinder fühlen sich als weniger wert.
Ausblick
Alle unsere Erfahrungen in der Kindheit prägen uns. Wer in seiner Kindheit diskriminiert wurde, hat oft im Erwachsenenalter noch mit den Folgen zu kämpfen.
Um Betroffenen zu helfen, ist als erstes eines wichtig: Sie zu sehen, sie zu verstehen. Hier können Eltern eine wichtige Vorbildsfunktion leisten, indem sie Verhaltensweisen ihrer Kinder korrigieren, ihnen Toleranz und Respekt beibringen.
Kleinere Kinder verstehen vieles noch nicht. Hier ist es die Aufgabe der Eltern, ihren Kindern zu vermitteln, dass jeder Mensch besonders, individuell und einzigartig ist. Und das ist gut so.
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1) Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Diskriminierungsformen