Übergewicht: Dicke Kinder haben mehr als nur ein Problem

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Seit einiger Zeit nimmt mein Sohn immer mehr zu.

Ich bemühe mich zuhause um eine ausgewogene Ernährung.

Bei uns kommt von allem etwas auf den Tisch: Fleisch, Nudeln, Gemüse, Obst, Salat. Natürlich gibt es auch mal Pizza oder einen Burger. Ich weiß, er isst heimlich das, was er von mir nicht bekommt: Pommes, Schokolade, Eis.

Das Essen ist mein bester Freund, hat er mir gestern erklärt. Ich war geschockt. Und ratlos. Was ist bloß los mit ihm? Und was haben wir Eltern falsch gemacht?“

8,7 % der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 3 und 17 Jahren sind übergewichtig, 6,3 % sind sogar adipös, also fettleibig (1). Die Ursache dafür ist leider nicht „einfach nur“ schlechte Ernährung.

Stress durch Über- oder Unterforderung in der Schule, Probleme mit Freund*innen, Mobbing, ein angespanntes Familienleben, aber auch zu wenig Bewegung und zu viel Zeit an Smartphone, Tablet oder PC können bei Kindern und Jugendlichen zu unkontrolliertem Essen führen. » Bewegungserziehung

Corona, Schulschließungen und die Ausgangsbeschränkungen haben diese Probleme verschärft. Wochenlang zu Hause sitzen müssen, mit genervten Geschwistern und gestressten Eltern – da werden Cola, Chips und Gummibärchen leicht zu besten Freunden.

Bei uns gibt’s mittags oft Pizza. Oder Nudeln mit Ketchup. Beim Computerspielen oder Fernsehen mag ich super gerne Chips. Oder Popcorn. Und Limo.“

Vgl. auch: Kind hat keine Freunde im Kindergarten – Ursachen & Tipps

Geldmangel & schlechte Ernährung hängen zusammen

Natürlich spielt auch das Thema Geld eine große Rolle. Wenn die Finanzen knapp sind, greifen Familien oft zu Fertigprodukten – mit fatalen Folgen, von Hidden Hunger bis zu Adipositas. Kinder aus finanziell benachteiligten Familien essen weniger Gemüse sowie Vollkornprodukte und dafür mehr Fast Food.

Das liegt auch daran, dass eine gesunde, ausgewogene Ernährung Zeit und Organisation braucht. In finanziell benachteiligten Haushalten stehen außerdem oft ganz andere Probleme im Vordergrund. Das Essen ist einfach nicht so wichtig (2).

Wenn ich aufstehe, ist meine Mutter schon bei der Arbeit. Und abends hat Papa oft noch Termine, mein Bruder ist beim Sport. Alleine essen ist irgendwie blöd. Ich nehm‘ mir dann einfach, worauf ich Appetit habe. Am liebsten was Süßes. Schokoriegel oder so.“

Evtl. auch interessant für Sie: Kindergesundheit – Was gesunde Kinder brauchen

Kindern macht gesundes Essen durchaus Spaß

Vor allem, wenn sie es gemeinsam planen, die Zutaten einkaufen, kochen und alle zusammen am Tisch sitzen. Dieses Erlebnis, die „soziale Komponente“ des Essens, kommt nämlich in vielen Familien heute auch zu kurz. Und das ist nicht unbedingt eine Frage des Geldes, sondern eher der familiären Gewohnheiten.

Die Folgen sind immer die gleichen:

einige Kinder essen zu wenig.

Viele aber zu viel!


Die Deutsche Lebensbrücke hat in ganz Deutschland Frühstücksklubs und Mittagstische. Im Frühstücksklub bekommen Grundschulkinder ein leckeres und gesundes Frühstück, das sie vor dem Unterricht mit ihren Freund*innen essen. Beim Mittagstisch planen die Kids teilweise ihr Essen mit. Die Kinder in unserem Münchner Kochklub kochen nicht nur selbst - sie kaufen die Zutaten sogar vorher gemeinsam ein, mit einem knappen Budget.

Die Kids lernen, gezielt auszusuchen und Preise zu vergleichen, und am Ende zaubern sie für wenig Geld ein komplettes Essen mit Vorspeise, Hauptspeise und Dessert. Natürlich mit viel Gemüse und Obst. Die Kinder und Jugendlichen lieben den Mittagstisch und den Kochklub – und sie tragen die eine oder andere Idee auch mit nach Hause.

Eltern sollten Kinder beim Abnehmen unterstützen

Ich habe wirklich gedacht, das geht nur mir so. Ich bin fett, alle lachen mich aus, keiner versteht mich. Also esse ich eben immer weiter.“

Natürlich kann eine Familie ihre Ess- und Lebensgewohnheiten nicht ganz plötzlich umkrempeln. Aber Eltern können sich Hilfe suchen, um ihrem Kind dabei zu helfen, abzunehmen.

Vgl. auch handlungsorientiertes Lernen

In Fällen von Adipositas gibt es z.B. Feriencamps, in denen die Kinder nicht nur lernen, gesund zu essen, sondern auch sportlich, psychisch und sozial unterstützt werden. Oft ist allein schon die Erkenntnis, dass es anderen auch so geht, hilfreich.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat auf ihrer Internetseite alle wichtigen Informationen rund um das Thema Übergewicht bei Kindern zusammengefasst.

Von den Hintergründen und Ursachen über Tipps für einen gesunden Lebensstil bis hin zu einem Ratgeber für Eltern und Möglichkeiten der Therapie. 

Es ist eine Frage der Gewohnheit. Wir nehmen uns jetzt abends ganz bewusst die Zeit, alle zusammen zu essen. Wir kochen nicht groß auf. Brot, Käse, Gemüse, Obst. Aber wir sitzen am Tisch, erzählen, hören zu. Ich weiß, es klingt unglaublich. Aber seitdem geht es nicht nur meinem Sohn wieder besser, sondern auch unserer Tochter. Und uns Eltern.“

 

Quellen:

1) Bundesgesundheitsministerium: Prävention für Kinder mit Übergewicht
2) UGB Ernährungsplan zur Prävention
3) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

MaJa Boselli

MaJa hat Romanistik und evangelische Theologie studiert. Sie schreibt seit über 20 Jahren Fachartikel im sozialen Bereich. Von praktischen Themen wie Kinderhilfe bis hin zur Sozialpolitik. Außerdem bloggt und twittert sie leidenschaftlich, seitdem es soziale Netzwerke gibt. Ihre Spezialität: so lange am Thema dranbleiben, bis allen alles klar ist. Ihr Motto: “ich schreibe, also bin ich.”

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