Schizophrenie bei Kindern erkennen

Wenn das Kind an Schizophrenie erkrankt

Schizophrenie ist eine schwere psychische Störung. Auch Kinder und Jugendliche können betroffen sein.

Schizophrenie ist nicht so selten, wie man denkt: Etwa 1 Prozent aller Deutschen erleben mindestens eine schizophrene Episode. Einer von 100 Menschen erkrankt zumindest einmal im Leben. Weltweit sind etwa 60 Millionen Menschen betroffen 1).

In den meisten Fällen entsteht die erste akute Krankheitsphase im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter.

Bei Kindern ist Schizophrenie eher selten. Deshalb ist sie bislang wenig erforscht. Aber es gibt sie. Sie ist stark belastend. Für das betroffene Kind und sein Umfeld.

 

 

Was ist Schizophrenie?

Schizophrenie ist eine der schwersten psychischen Erkrankungen. Sie kann in verschiedensten Formen auftreten. Deshalb wird oft von Schizophrenien im Plural gesprochen.

Männer und Frauen erkranken gleich oft. Die Krankheit kann in jedem Lebensalter auftreten. Bei Frauen bricht sie im Durchschnitt etwa drei bis vier Jahre später aus - durchschnittlich zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr.

Als Ursache wird eine Stoffwechselstörung im Gehirn vermutet.

Entgegen weit verbreitetem Glauben: Schizophrenie hat nichts mit Persönlichkeitsspaltung zu tun. Sie hat nichts mit Intelligenz zu tun.

Schizophrenie gehört zu den sogenannten psychotischen Erkrankungen. Die betreffende Person verliert zeitweise den Kontakt zur Wirklichkeit. Sie fühlt sich von der Umwelt bedroht.

Die Krankheit beeinflusst das ganze Leben. Schizophrenie verändert das Denken und die Wahrnehmung. Vgl. die Wahrnehmung bei Kindern

Symptome von Schizophrenie

Beginn und Verlauf sind so vielfältig wie das Krankheitsbild. Je nach Form der Schizophrenie kommen unterschiedlichste Symptome vor. In jedem Fall gilt: Die Symptome müssen länger als einen Monat anhalten. Erst dann spricht man von Schizophrenie.

 

Vorphase

In vielen Fällen kommt es zu einer Vorphase. In dieser Zeit sind die Betroffenen empfindlich, gereizt und angespannt. Sie verlieren das Interesse an ihrer Umwelt. Sie werden unsicher und ziehen sich zurück.

 

Akuter Schub

In der nächsten Phase kommt es zum akuten Schub. Im Vordergrund stehen die sogenannten “Positiven Symptome”. Zu ihnen zählen

  • unzusammenhängendes Denken und Sprechen

  • veränderte Wahrnehmung

  • Halluzinationen

  • Verfolgungswahn

  • veränderte Auffassung der Realität

 

Die Phase danach

Nach dem akuten Schub lassen die Symptome wieder nach. Bei einigen Betroffenen verschwinden die Symptome nicht gänzlich. Sie schwächen sich lediglich ab.

Meist kommt es dann zu den “Negativ-Symptomen”. Sie sind gekennzeichnet durch Einschränkungen in

  • Denken

  • Emotionen und Gefühlen

  • Antrieb und Willen

  • Kommunikation

  • Sozialen Kompetenzen

  • Kontaktfähigkeit

Negativsymptome erscheinen wenig auffällig. Oft sind sie vage oder diffus. Sie beeinflussen das Leben der Betroffenen nachhaltig und stark. Zudem sind sie schwer zu therapieren.

Bei Patient*innen mit häufigen Episoden heilen die negativen Symptome oft nicht (mehr) zwischen den Episoden aus.

Bei den meisten Betroffenen bestehen zusätzlich depressive Symptome.

 

 

Wie entsteht Schizophrenie?

Die Ursachen für Schizophrenie sind nicht genau erforscht. Man vermutet chemische Ungleichgewichte im Gehirn sowie Probleme während der Entwicklung des Gehirns. Es scheint, dass die Gehirne von Schizophrenen weniger stabile Netzwerke ausbilden 2).

Die Veranlagung zu Schizophrenie ist zum Teil erblich. Sie wird nicht durch mangelnde Zuwendung aus gelöst. Sie wird nicht durch Probleme in der Kindheit verursacht.

Wie bei vielen anderen psychischen Krankheiten geht man von einer Mischung aus: Psychische, biologische und soziale Faktoren spielen hinein.

Stress und Drogen während der Schwangerschaft können eine Rolle spielen. Schwierigkeiten bei der Geburt können zur späteren Entstehung beitragen.

Möglicherweise erhöht der Gebrauch von Cannabis-Produkten das Erkrankungsrisiko 3).


 

 

Leben mit Schizophrenie bei Kindern

Je früher ein Kind an Schizophrenie erkrankt, desto geringer sind die Heilungschancen. Kinder, die vor dem 15. Lebensjahr erkranken, haben eine sehr schlechte Prognose.

Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann eine individuell abgestimmte Therapie gute Erfolge erzielen.

 

Schizophrenie bei Kindern erkennen

Schizophrenie bei Kindern ist nicht leicht zu erkennen. Die Symptomatik ist eher unspezifisch.

Meist nehmen die Symptome langsam zu. Sie sind eher schwerer als bei Jugendlichen oder Erwachsenen. Die Negativ-Symptome überwiegen. Das Denkvermögen ist häufig beeinträchtigt 4).

Jugendliche ziehen sich zurück. Sie empfinden ungewöhnliche Emotionen. Auch sie leiden unter Halluzinationen, unrealistischem Denken und Wahnvorstellungen.

 

Die ersten Symptome

Eine Schizophrenie kann durchaus sehr plötzlich beginnen. Meist aber treten die ersten Symptome weit früher auf: Oft bis zu fünf Jahre vor der akuten Psychose. Sie sind vage und schwer zuzuordnen. Sie ähneln eher einer Depression.

Deshalb wird die Diagnose oft viele Jahre zu spät gestellt.

Die betroffenen Kinder werden still. Sie ziehen sich zurück. Sie werden antriebslos und apathisch. Oft passen Reaktionen und Gefühle nicht zur Situation.

Rückblickend erkennen betroffene Eltern oft: Die ersten Anzeichen waren schon lange vorher da. Im Nachhinein erkennen sie: Es gab Entwicklungsverzögerungen und Koordinationsprobleme. Das Kind zeigte affektive Schwankungen und soziales Desinteresse.

 

Ist es wirklich Schizophrenie?

Wie bei allen psychischen Erkrankungen gilt: Erst eine qualifizierte Diagnose bringt Gewissheit. Das Kind muss psychiatrisch, medizinisch, neurologisch und psychologisch genau untersucht werden. Es gibt auch andere Störungen mit psychotischen Symptomen.

Gerade im Anfangsstadium bzw. während der Negativsymptome kann die Diagnose Schizophrenie schwer sein. Sie ähnelt einer Depression bei Kindern.

Die Aufmerksamkeitsstörungen können auch ein Zeichen für eine autistische Erkrankung oder ADHS sein. Vgl. auch Umgang mit ADHS-Kindern

Es gibt weitere psychiatrische Störungen oder organische Erkrankungen, die ähnliche Symptome hervorrufen können.

Wichtig ist auch, den Konsum von psychotropen Substanzen wie Drogen ausschließen zu können.

 

Heilungschancen von Schizophrenie bei Kindern

Schizophrenie ist nicht heilbar. Aber mit einer geeigneten (medikamentösen) Therapie können die Symptome gelindert werden. Eine möglichst frühe Intervention ist wichtig.

Eine schnelle medikamentöse Behandlung kann den Verlauf bremsen. Mit Antipsychotika können die Halluzinationen und Wahnzustände gut behandelt werden. Auch bei Kindern und Jugendlichen.

Allerdings: Bei Kindern kommt es aber verstärkt zu Nebenwirkungen. Dazu zählen Zittern, Bewegungsstörungen, Adipositas, Typ-2-Diabetes.

 

Zusätzliche therapeutische Maßnahmen

Psychotherapie und Psychoedukation sind wichtig. Eine Psychotherapie hilft dem Kind, besser mit den verschiedenen Phasen der Schizophrenie umzugehen. Die Eltern erhalten mit der Psychoedukation wichtige Ratschläge im Umgang mit ihrem Kind.

Auch die Ernährung spielt eine wichtige Rolle. Beispielsweise scheint eine glutenfreie Ernährung positive Effekte zu haben. Eine ausreichende Versorgung mit Omega-3-Fettsäuren unterstützt die Entwicklung, Funktion und Struktur des kindlichen Gehirns 5).

Bei einem Viertel der Kinder werden die Symptome durch eine Therapie deutlich reduziert. Bei einem weiteren Viertel lassen die Symptome zumindest vorübergehend nach. Bei der anderen Hälfte der Betroffenen verläuft die Erkrankung chronisch und mit ungünstiger Prognose 6).


Hilfe für betroffene Eltern

Wenn ein Kind schizophren ist, leidet die ganze Familie. Eltern und Geschwister sind oft überfordert. Sie fühlen sich hilflos.

In akuten Phasen ist ihnen das Kind fremd. Sie verstehen nicht, wieso es plötzlich Stimmen hört. Bei aggressiven Gefühlen haben die Eltern vielleicht Angst. Das Kind merkt nicht, dass seine Realität sich gerade verändert.

So wird von der Familie viel Mitgefühl und Verständnis abverlangt.

Viele Eltern wollen nicht wahrnehmen, dass ihr Kind sehr krank ist. Andere machen sich Vorwürfe. Sie glauben, dass sie etwas in der Erziehung falsch gemacht haben. Viele schämen sich, dass ihr Kind nicht wie andere Kinder ist.

Alles dreht sich ums Kind. Die Familie hat wenige Kontakte nach außen.

 

Wenn schizophrene Kinder erwachsen werden

Es gibt viele Stereotype und Vorurteile über schizophrene Menschen. Viele halten sie für aggressiv und unberechenbar. Andere halten sie für gefährlich.

Die Vorurteile stimmen nicht. Meist sind schizophrene Menschen völlig ungefährlich. Wenn sie aggressiv sind, dann eher gegen sich selbst: Mehr als ein Zehntel begehen Selbstmord.

Viele Betroffene achten zudem wenig auf ihre Gesundheit. Sie leiden vermehrt an Diabetes und Herzerkrankungen. Deshalb ist ihre Lebenserwartung um 15-25 Jahre niedriger als bei der Allgemeinbevölkerung. 

Dennoch: Sie können als Erwachsene ein selbstbestimmtes Leben führen. Viele leben in Betreutem Wohnen und gehen einem Teilzeitjob nach.

 

Ausblick

Wenn ein Kind krank ist, ist das für die Eltern immer eine schwere Situation. Bei psychischen Erkrankungen kommt hinzu, dass sie nicht „greifbar“ sind. Sie sind von außen nicht sichtbar.

Eltern müssen sich nicht schämen. Es ist nicht ihre Schuld. Es ist nicht die Schuld ihres Kindes. Es gibt Hilfe.

Deshalb ist eine frühe Intervention sehr wichtig: Mit Medikamenten und der geeigneten Therapie können schizophrene Kinder die Krankheit akzeptieren. Verständnis, Aufklärung und Toleranz sind wichtig. Es gibt Wege. Es gibt eine Zukunft.


Quellen: 1) Psychosoziale-Gesundheit.net 2) Informationsdienst Wissenschaft e.V. 3) MSD MANUAL 4) MSD MANUAL 5) Universitätsklinikum Jena 6) ÄrzteZeitung

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Wir bemühen uns, Ihnen hochwertige und informative Beiträge zur Verfügung zu stellen.

Wenn Sie uns ein kleines Danke sagen wollen, dann unterstützen Sie gerne unsere Kinderhilfsprojekte der Deutschen Lebensbrücke mit einer kleinen Spende. Jeder Euro zählt. Herzlichen Dank!

Ariane Faralis

Ariane ist studierte Soziologin & hat eine eigene private psychotherapeutische Praxis. Sie verstärkt unsere Online-Redaktion mit fundierten Fachtexten und wertvollem Content. Ariane’s Motto: ”Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit” (Erich Kästner)

Zurück
Zurück

Mutismus: mein Kind spricht nicht – Ursachen & Symptome

Weiter
Weiter

Überforderung bei Kindern erkennen