Psychische Gesundheit von Kindern nach der Pandemie

Der lange Lockdown hat bei vielen Kindern tiefe Spuren hinterlassen. Wie können verletzte Kinderseelen heilen? Wir schauen hin.

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Verletzte Kinderseelen als Folge der Pandemie

Kinder & Jugendliche mussten über ein Jahr lang auf vieles verzichten, was für eine gesunde Entwicklung wichtig ist: Freund*innen treffen, Sport machen, spielen und Spaß haben. Jetzt sind sie dran: wie heilen wir die psychischen Verletzungen unserer Kinder? 

Psychische Gesundheit von Kindern nach der Pandemie 

Offene Läden, offene Museen, offene Restaurants. Deutschland kehrt nach Monaten des Lockdowns in die Normalität zurück. Was für uns Erwachsene schön ist, ist für unsere Kinder und Jugendlichen lebenswichtig. Denn bei vielen Kindern ist die psychische Gesundheit nach dem Lockdown bedroht.

Depressive Symptome auf dem Vormarsch

Aktuelle Studien belegen: die Seelen vieler Kinder und Jugendlicher sind nach der Pandemie angegriffen, depressive Symptomeund Ängste haben stark zugenommen. Jedes dritte Kind zwischen 11 und 17 Jahren, so das beunruhigende Ergebnis, leidet coronabedingt unter psychischen Auffälligkeiten.

Bei jüngeren Kindern sollen die Zahlen ähnlich hoch sein. Es sind vor allem Depressionen und Essstörungen, unter denen Kinder und Jugendliche leiden. Kinderärzte wie Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), und Luise Poustka, Direktorin der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Göttingen, sehen die Entwicklung mit großer Sorge. Die Nachfrage in Kinder- und Jugendpsychiatrien sei enorm, die Stationen mit schweren Krisenfällen und suizidgefährdeten jungen Patienten voll belegt. 

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Die Ärzt*innen fordern deshalb eine schnelle Rückkehr zur Normalität vor allem für die Generation der Kinder und Jugendlichen. Mehr Freiräume und mehr strukturierte Angebote sind nötig.


Kinder ohne Lobby

In der Pandemie mussten gerade sie auf vieles verzichten, was für eine gesunde psychische Entwicklung notwendig ist. Nicht nur die Schulen waren lange geschlossen, sondern auch Spielplätze, Sportvereine und Musikschulen. Den Kindern fehlte der Ausgleich zum Homeschooling und der Freizeit daheim, die Begegnung mit Gleichaltrigen, die Lernstress, aber auch Schwierigkeiten in der Familie mit Eltern und Geschwistern überbrücken und überwinden helfen. Das kann eine Bedrohung für die psychische Gesundheit der Kinder sein. 

In den vergangenen Pandemiemonaten wurde alles getan, um die schwächsten Glieder der Gesellschaft vor Covid 19 zu schützen: die Alten und Ältesten. Dabei wurden allerdings die Jungen allzu oft übersehen.

In ihrem Kinder- und Jugend(hilfe)-Monitor 2021 mit dem Titel "Chancen-Check in der Corona-Pandemie" attestiert Karin Böllert, Professorin für Erziehungswissenschaften in Münster und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe, Deutschland das Fehlen einer echten Kinderlobby. Schon vor Corona wuchs in Deutschland jedes 5. Kind in Armut auf. Durch die Pandemie hat sich diese Situation noch verschlimmert.

Werden arme Kinder abgehängt?

Während Kinder aus finanziell abgesicherten Familien gut bis sehr gut durch das Homeschooling gekommen sind und die Lernziele oft sogar überschritten haben, sind Kinder aus finanziell benachteiligten Familien die Leidtragenden der Pandemie-Politik. Über 30 Prozent der Familien in Deutschland haben seit Beginn des Lockdowns mit finanziellen Engpässen zu kämpfen, so das Ergebnis des Monitorings. 

Besonders betroffen sind Ein-Eltern-Familien. Geldsorgen, Platzmangel und keine elterliche Begleitung beim Lernen daheim – das sind die Konsequenzen für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen. Corona hat die Löcher in unserem sozialen Netz nicht nur aufgezeigt, sondern bedenklich vergrößert.

Wir brauchen mehr als nur Lernförderung 

Das "Aktionsprogramms Aufholen nach Corona" der Bundesregierung soll den „abgehängten“ Kindern (immerhin 25% aller Schüler*innen) mit Förderprogrammen und Lernhilfen in den Sommerferien die schulische Aufholjagd erleichtern. 

Pädagogen halten das für einen gefährlichen Weg, weil ohnehin schon frustrierte Kinder dadurch noch mehr unter Druck geraten. Stattdessen sollte es ab sofort eine Fülle von spannenden und kostenfreien Aktivitäten geben, vom Ferienlager über Zirkus- und Musikprojekte bis hin zu Theater- und Malworkshops, um die Kinderseelen von den Strapazen der Pandemie zu heilen, damit sie erholt und voller Energien im Herbst durchstarten können – schulisch und in ihrer Entwicklung. Denn nach den langen Corona-Monaten gilt es jetzt, die psychische Gesundheit unserer Kinder zu stärken.

Wie das geht, haben wir hier auf dem Blog thematisiert: Resiliente Kinder – Was Kinder stark macht und gesund hält

Urlaubs-Gutscheine für Familien

Karin Böllert spricht sich auch für „Sonderurlaube“ für Familien mit Kindern aus – in Form von Urlaubsgutscheinen für Familien mit begrenzten finanziellen Mitteln.

Die Deutsche Lebensbrücke unterstützt gezielt Kinder aus finanziell benachteiligten Familien, z.B. in den Projekten Frühstücksklubs und Mittagstische. Sie steht den Einrichtungen auch zur Seite, wenn es darum geht, Kinder bei der Bewältigung von Corona-Folgen zu helfen. 

Gefahr für die psychische Gesundheit bei Kindern

Jedes Kind hat mal einen schlechten Tag, ist müde und lustlos, gereizt oder einfach schlecht drauf. Nur, wenn ein solches Verhalten atypisch ist und lange anhält, sollten Eltern genauer hinschauen

Das können Hinweise auf eine schwere psychische Auffälligkeit bei Kindern oder Jugendlichen sein:

  • Auffallende Veränderungen im Essverhalten (zu viel, zu wenig, Übergeben nach den Mahlzeiten)

  • Auffälliges Zurückziehen

  • Anhaltende Traurigkeit und/oder Aggressivität

  • Konzentrationsstörungen (vgl. Konzentrationsübungen für Kinder)

  • Schlafstörungen (zu viel oder zu wenig)

 

An wen können sich Eltern bei Bedarf wenden?

Erste Anlaufstelle ist die kinder- und jugendärztliche Praxis, in der das Kind in Behandlung ist. Dort helfen Kinderärzt*innen, wenn nötig, mit Adressen von Fachärzt*innen, Beratungsstellen oder Therapieeinrichtungen weiter. Aber auch Familienberatungsstellen bieten Hilfe, Informationen und Kontakte. 


Quellen:

  1. Böllert, Karin, Deutscher Kinder- und Jugend(hilfe) Monitor 2021 

  2. Ärztezeitung.de 

  3. Süddeutsche.de/Wissen

  4. Kindergesundheit.info

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MaJa Boselli

MaJa hat Romanistik und evangelische Theologie studiert. Sie schreibt seit über 20 Jahren Fachartikel im sozialen Bereich. Von praktischen Themen wie Kinderhilfe bis hin zur Sozialpolitik. Außerdem bloggt und twittert sie leidenschaftlich, seitdem es soziale Netzwerke gibt. Ihre Spezialität: so lange am Thema dranbleiben, bis allen alles klar ist. Ihr Motto: “ich schreibe, also bin ich.”

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