Umgang mit geflüchteten Kindern in Kita und Schule

Die geflüchteten Kinder aus der Ukraine (aber natürlich auch aus anderen Ländern) gehen so schnell wie möglich bei uns in Kitas und Schulen. Was bedeutet das für die „einheimischen“ Kids? Wie gehen wir als Eltern richtig damit um? Wie antworten wir unseren Kindern auf Fragen?

 

Geflüchtete Kinder brauchen Sicherheit

Schule und Kita helfen ihnen dabei, in der Fremde anzukommen.

Wie werden geflüchtete Kinder in Schule und Kita gut integriert?

Der Krieg in der Ukraine dauert an, und Mütter und Kinder suchen Schutz in anderen Ländern. 36 % der knapp 1 Million in Deutschland registrierten geflüchteten Ukrainer*innen sind Kinder und Jugendliche unter 18. Gerade für sie – wie für alle Kinder, die ihre Heimat verlassen mussten und jetzt in Deutschland sind - ist es wichtig, auch hier so schnell wie möglich Alltag zu erleben und zu leben. Dazu gehört der Schulbesuch. Bis Ende August waren rund 160 Tausend Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine in deutschen Schulen.


Das stellt nicht nur die Schulen, sondern auch die Mitschüler*innen und deren Eltern vor Herausforderungen. Was bedeutet es für die Klasse, wenn plötzlich Kinder dabei sind, für die vieles noch fremd ist, das Land, die Schule, die Sprache?  Wie gehen Eltern damit richtig um? Wie antworten wir auf die Fragen unserer Kinder?

Trauma: Was macht Flucht mit Kindern?



Weltweit sind 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Vor während und nachdem sie ihre Heimat verlassen müssen, erleben viele von ihnen schreckliche Dinge. Vor der Flucht war das vielleicht, wie jetzt in der Ukraine, ein Krieg, oder die Eltern wurden aus politischen oder religiösen Gründen verfolgt. Die Gelegenheit zur Flucht ergibt sich meist sehr schnell, und die Familie kann nur das Allernötigste mitnehmen. Die Kinder lassen nicht nur ihre Freundinnen und Freunde zurück, oder die Großeltern – auch das Haustier und die Lieblingsspielsachen kommen nicht mit. Oft werden Kinder dabei zum ersten Mal mit Trauer und Verlust konfrontiert.

Die Flucht selbst ist aufregend und meist auch sehr gefährlich. Oft müssen die Kinder tagelang mit wenig Essen und Trinken auskommen und können kaum schlafen.

Vor allem für die Kinder können solch furchtbare Erfahrungen traumatisch sein und sehr lange sehr belastend sein. Dazu kommt die Herausforderung, sich in einem fremden Land einzuleben. Den Eltern geht es nicht anders als ihren Kindern. Sie sind oft besorgt – um die Familie in der Heimat und um ihre Zukunft hier in Deutschland. Wenn die Sorgen zu groß werden und sich daraus eine Depression entwickelt, können Therapeuten und Therapeutinnen unterstützen. Für die Kinder sind es aber oft auch die neuen Freundinnen und Freunde in Kita und Schule, die ihnen in der ersten Zeit eine wichtige Hilfe sein können.

Ein Trauma ist ein furchterregendes Ereignis in der Vergangenheit mitAuswirkungen bis in die Gegenwart/Zukunft. Es bezeichnet eine tiefgreifendeseelische Verletzung, die psychische und körperliche Beschwerden zur Folgehaben kann und kann wie eine offene, nicht abheilende Wunde sein.
— Liedl, Schäfer & Knaevelsrud, 2013


Wenn das Trauma der Flucht nicht bewältigt wird, kann es zu einer s.g. Posttraumatischen Belastungsstörung kommen. Das Gehirn befindet sich dann einem Ausnahmezustand und versucht, das Erlebte zu vergessen oder zu verdrängen oder unbewusst zu verhindern, dass es wieder zu solchen Erlebnissen kommt.

Im Zusammenhang mit einer posttraumatischen Belastungsstörung kann es z.B. zu folgenden Reaktionen kommen:

  • Schlafprobleme

  • Reizbarkeit

  • Aggressivität

  • Unruhe

  • Schreckhaftigkeit

  • Konzentrationsprobleme

 

 

Eingewöhnung – keine leichte Sache

 

Das Mädchen aus Lviv, der Junge aus Afghanistan, die mit unseren Kindern in die Kita oder Schule gehen, leben im Ausnahmezustand. Sie wohnen oft in einer Unterkunft mit wenig Platz, besitzen wenig Kleidung, Spielsachen und Sportgeräte. Für viele normale Freizeitaktivitäten fehlt ihren Eltern vielleicht das Geld. Aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie zu Hause in der Heimat wahrscheinlich ganz ähnlich gelebt haben wie unserer Kinder hier in Deutschland. Unter Umständen in einer anderen Kultur, aber dennoch in einem vergleichbaren sozialen Netzwerk. Hier sind sie erst einmal völlig aus der Bahn geworfen und brauchen Zeit und Unterstützung, um hier „anzukommen.“

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 Kitas und Schulen geben wichtige Hilfestellung


 Kitas und Schulen erfüllen dabei eine wichtige Aufgabe. Das Personal in den Kitas und die Lehrkräfte werden auf den Umgang mit geflüchteten Kindern vorbereitet. Sie berücksichtigen sowohl die speziellen personenbezogenen Aspekte als auch die kulturelle Einbindung und die Fluchtsituation. Unter Umständen sind auch die pädagogischen Erwartungen und Vorstellungen der Eltern anders. Informationen über das pädagogische Angebot und die Teilhabe-Möglichkeiten sind deshalb sehr wichtig, damit die Eltern ihr Kind gut in der deutschen Schule begleiten können. Sie haben sich vorab über das Herkunftsland, z.B. die Ukraine, informiert und stehen in Kontakt mit anderen Betreuungsangeboten.

 

Lehreinnen und Lehrer oder das Kita-Personal sind auch Ansprechpartner für Eltern von Klassenkameraden, wenn sie z.B. ein ukrainisches Kind einladen möchten und dazu Fragen haben.

Lehrerinnen können den Schulkindern Wissen über das Heimatland ihrer geflüchteten Mitschülerinnen vermitteln.

 

So können sie auf der einen Seite gezielt auf das Kind eingehen – und andererseits gleichzeitig den Mitschülerinnen und Mitschülern Wissen vermitteln, das allen Kindern die Aufnahme in die Kita- oder Klassengemeinschaft erleichtert. Denn mit der Akzeptanz der anderen Kinder steht und fällt eine gelingende Integration in Kita und Schule. Gemeinsames Malen stellt besonders schnell den Kontakt zwischen den Kindern her, heißt es z.B. im Backwinkel-Blog für Lehrer, Erzieher und Eltern. Auch ein Thementag mit besonderem Essen aus den jeweiligen Ländern, Infos über Traditionen und kleine Sprachspiele bringen die Kinder schnell zusammen. Das gleiche gilt übrigens auch für Sport. In der Ukraine z.B. wird Sport in der Schule großgeschrieben – beim gemeinsamen Fußball, Volleyball oder Laufen klappt die Kommunikation schnell ohne viele Worte.

Beim gemeinsamen Sport klappt Kommunikation auch ohne Worte.

 

 

Mama, was ist Krieg?

 

Ein Mix von Kulturen und Herkunftsländern ist heute in den meisten Schulen ganz normal. Und unter den Kindern aus anderen Ländern werden immer auch Geflüchtete sein. Aber der Krieg in der Ukraine stellt uns alle vor ganz besondere Herausforderungen. Er ist seit Februar auch Teil unserer deutschen Wirklichkeit, und unsere Kinder bekommen zwangsläufig viel davon mit. Im Fernsehen, im Radio, in den Gesprächen der Erwachsenen. Und sie spüren natürlich auch unsere Sorgen und Ängste im Zusammenhang mit diesem Konflikt, der nur ein paar Tausend Kilometer von uns entfernt stattfindet.

 

Wenn unsere Kinder nach den Ferien ein oder mehrere Kinder in der Klasse haben, die aus der Ukraine geflüchtet sind, bringt das diesen Krieg noch näher in das kindliche Bewusstsein.

 

Wer Kinder hat, muss jetzt mit ihnen auch über Krieg sprechen“, sagt Matthias Brüggemeier. Und zwar ganz konkret. Vor allem, wenn Klassenkameraden aus der Ukraine geflohen sind. Immerhin leben inzwischen Hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer bei uns in Deutschland.
— Matthias Brüggemaeier, Quelle 6


Der Experte hat ein paar Tipps für ein Gespräch, dass die Kinder nicht über Gebühr belastet und trotzdem die wichtigsten Informationen gibt:

  • Ansprechen, was über den Krieg in der Ukraine an Bildern zu sehen ist Unter Umständen können das auch Bilder sein, die die Klassenkameraden beschrieben haben. Krieg ist grausam, es ist für Kinder leichter, das so stehen zu lassen, als alles zu verdrängen. Vielleicht ist es aber auch sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass nicht alle Bilder unbedingt echt sind.


  • Sorgen ernst nehmen, aber gleichzeitig aus Elternsicht beruhigen Ja, auch wir Erwachsenen haben Sorge. Aber hoffen, dass Menschen in der Politik an einer Lösung arbeiten. Und wir sind zwar betroffen von dem, was dort passiert – und von dem, was die neue Freundin oder der neue Freund unserem Kind berichten. Aber wir hier sind nicht vom Krieg direkt bedroht.

  • Alternativen aufzeigen Werden wir im Winter frieren, weil das Gas knapp wird? Zum Glück wird es bei uns nicht so kalt! Das Benzin wird immer teurer? Zum Glück haben wir viele öffentliche Verkehrsmittel.

  • Aktiv werden Kinder mögen Action. Ablenkung heißt das Zauberwort, auch hier. Gemeinsame Ausflüge, Essen, Spieleabende. Warum nicht die Freundin und den Freund aus der Ukraine dazu einladen? Helfen hilft. Das spüren Kinder ganz besonders.


    Ein Fall, der leider immer wieder mal auftritt: Kinder aus Russland werden plötzlich gemobbt. Auch hier sagt Brüggemeier: „Auf keinen Fall dürfen Kinder ausgegrenzt werden, weil sie russisch sprechen oder einen russischen Migrationshintergrund haben. Wir dürfen russische und russischstämmige Menschen nicht in Geiselhaft nehmen für das, was der russische Präsident tut. Sollte ein solches Mobbing in der Klasse Ihres Kindes tatsächlich passieren, empfehle ich ein Gespräch mit der Klassenleitung.“

Nützliche Informationen auch für Eltern im Umgang mit dem Ukrainekrieg gibt es auch bei der Medienbildung München der Landeshauptstadt München.

Wie kann man sonst noch helfen?

Ankommen beginnt damit, sich wohlzufühlen

 

Wenn unser Kind von neuen Mitschülerinnen oder Mitschülern z.B. aus der Ukraine berichtet, können wir sie dabei unterstützen, diesen Kindern das Ankommen in der neuen Klasse zu erleichtern. Durch Gespräche und Informationen, durch Fragen, und auch dadurch, dass wir sie ermuntern, Kontakt mit den Kindern aufzunehmen. Natürlich nur, wenn unser Kind das möchte. Wenn wir dann, offen sind für das, was sich aus dieser Bekanntschaft ergibt, ist das ideal.

Ganz wichtig ist hier wie bei jeder Form von „Ehrenamt“ , dass wir uns selbst, aber auch die Kinder damit nicht überfordern. Eine Einladung zum Spielenachmittag, ins Schwimmbad, ein Treffen mit den Eltern? Alles geht, nichts muss.

 

Wer mehr machen möchte: Überall gibt es ein großes Angebot an Sozial-Projekten und Initiativen für Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, auch ganz speziell für Menschen und Kinder aus der Ukraine. Dort gibt es nicht nur ganz viele wichtige Informationen, sondern man kann die Art und den Umfang der Hilfe wählen, die am besten zu einem passt. Das geht von ganz praktischen Hilfen bei Sachspenden über Nachhilfeunterricht bis hin zur Begleitung bei Behörden u.ä. Rechtliche und praktische Informationen für die Arbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine geben wertvolle Hinweise.

 

Aber generell ist es am besten, sich direkt vor Ort nach einem passenden Projekt umzuschauen. Erste Anlaufstellen sind die Kommunen, Caritas und Diakonie. Auch das VHS-Ehrenamtsportal ist eine informative erste Anlaufstelle.

           

 

Quellen:

1) Uni Marburg, Team Christiansen, Folgen einer Flucht für Eltern und Kinder

2) Mediendienst Integration Migration, Flucht-Asyl, Ukrainische Flüchtlinge

3) Liedl, Schäfer & Knaevelsrud, 2013

4) ifp Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz: Geflüchtete Kinder aus der Ukraine gut begleiten

5) backwinkel.de/blog: Ukrainische Flüchtlingskinder an deutschen Schulen willkommenheissen

6) Magazin schule: Ukraine: Wie reden wir mit Kindern über den Krieg?

7) Landeshauptstadt München, Medienbildung: Umgang mit der aktuellen Situation in der Ukraine

8) VHS-Ehrenamtsportal Ukraine

MaJa Boselli

MaJa hat Romanistik und evangelische Theologie studiert. Sie schreibt seit über 20 Jahren Fachartikel im sozialen Bereich. Von praktischen Themen wie Kinderhilfe bis hin zur Sozialpolitik. Außerdem bloggt und twittert sie leidenschaftlich, seitdem es soziale Netzwerke gibt. Ihre Spezialität: so lange am Thema dranbleiben, bis allen alles klar ist. Ihr Motto: “ich schreibe, also bin ich.”

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