Überforderung mit Kindern - Bin ich eine schlechte Mutter?

Wenn die Mutter an sich zweifelt

Auch Mütter sind nur Menschen, auch wenn sie oft scheinbar Übermenschliches leisten. Wann sind Mütter überfordert? Und warum zweifeln viele so schnell an sich?

Die Mutter hat seit jeher die Rolle der Nährenden inne. Sie schenkt Leben. Sie ist besonders für kleine Kinder die Beschützerin und Bezugsperson, sie gibt Wärme.

Auch für ältere Kinder und in gesunden Mutter-Kind-Beziehungen bleibt sie ein Leben lang ein wichtiger Anker.

 

Das Idealbild der Mutter ist nicht die Realität

Zu diesem Mutterbild gehört unweigerlich, zumindest in Idealbildern gedacht, Geduld und immerwährende Liebe, egal, was passiert. Dabei wird schnell übersehen und zu wenig verstanden, was das Muttersein alles beinhaltet.

Gerade, wenn die Kinder klein sind, kann es fordernder sein als der stressigste Managerjob.

Dem strahlenden Bild des Mutterglücks steht oft Erschöpfung und Selbstzweifel gegenüber.

Das Miterleben und Begleiten der kindlichen Entwicklung ist nicht selten eine emotionale Berg- und Talfahrt.

Dass Mütter oft überfordert sind, wird oft zu wenig wahrgenommen. Selbst viele Väter unterschätzen die Belastung.

Viele Mütter kämpfen mit einer inneren Zerrissenheit - und dem ständigen schlechten Gewissen und der Frage: Bin ich eine schlechte Mutter?

 

Die berufstätige Mutter - das ewige Schuldgefühl

Früher waren die Rollen klar aufgeteilt. Der Mann machte Karriere, die Frau blieb mit dem Nachwuchs zuhause.

Heute haben Frauen eine genauso gute Ausbildung wie Männer. Sie studieren Fächer, die früher Männern zugeordnet wurden.

Ein großer Teil der Mütter arbeitet, zumindest in Teilzeit. Sie befinden sich in einem ständigen Spagat zwischen Berufsleben und privaten Verpflichtungen.

Allem gerecht werden, das ist vielleicht der größte Punkt. Den Stress-Höhepunkt erreichte dies während Corona.

 

Homeschooling, die größte Herausforderung

In Zeiten der Pandemie haben sehr viele Menschen im Home Office gearbeitet. Für die meisten Familien war das eine Extremsituation, an die sie sich ungern zurückerinnern.

Allen Bemühungen der Väter zum Trotz: Die Mütter berichteten, dass der Großteil der Aufgaben an ihnen hängenblieb.

Hier zeigte sich, aller Emanzipation zum Trotz: Frauen halten Männern tendenziell immer noch eher den Rücken frei, die berufliche Tätigkeit des Mannes hat in vielen Familien weiterhin Vorrang.

 

Gleichberechtigung besteht oft nur auf dem Papier

In den letzten Jahrzehnten hat sich natürlich einiges verändert. Die heutigen Väter bringen sich sehr in das Leben der Kinder ein. Sie begleiten die Kinder in Kindergarten und Schule, holen sie wieder ab.

Nichtsdestotrotz bleibt ein Großteil der Aufgaben weiterhin bei den Müttern hängen. Sie jonglieren die Kindererziehung, private und berufliche Termine, Haushalt und die schulische Unterstützung.

Weil das alles mit einer Vollzeittätigkeit nur schwer zu verbinden ist, arbeiten die Mütter in vielen Familien weniger Stunden als die Väter.

Zudem verdienen sie oft weit weniger für die gleiche Arbeitsleistung und sind stärker von Armut bedroht.

Ein zusätzliches Armutsrisiko entsteht, wenn sich die Eltern trennen. Die Kinder bleiben nach einer Scheidung oft bei der Mutter. Das führt zu einer zeitlichen und finanziellen Extrembelastung.

 

Wie hängen Überforderung, Stress und Aggression zusammen?

Wer überfordert ist, fühlt sich in einer (auswegslosen) Situation gefangen. Man fühlt sich unfähig, die Situation zu verändern oder anders mit ihr umzugehen.

Zu äußeren (unveränderlichen) Faktoren kommt eine innere Erschöpfung hinzu. Aus dieser chronischen Überforderung entsteht Stress.

Die Reaktion auf den Stress kann unterschiedlich sein. Oft reagiert die Person mit Aggression. Für andere kommt es zu Rückzug, Traurigkeit, Mutlosigkeit, dem Gefühl, “ausgebrannt” zu sein. Kontinuierlicher Stress schwächt.

 

Überforderung mit Kindern - wenn die Mutter ständig gestresst ist

Die Folgen von Stress

Stress ist die körperliche oder psychische Reaktion auf eine als nicht oder kaum zu bewältigend erscheinende Situation. Die Aufgaben sind nicht zu schaffen - oder es fühlt sich zumindest so an.

Von chronischem Stress betroffene Personen fühlen eine ständige innere Spannung und sehen sich in einer ausweglosen Lage.

 

Es gibt zwei Formen von Stress

Wichtig ist, zu unterscheiden: Stress ist nicht gleich Stress. Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Stress:

  • Eustress: Dieser Stress ist ein positiver Stress. Er ist nur zeitweilig und kann enorme Ressourcen und Energien freilegen.

  • Distress: Der andauernde Stress nimmt die Energie. Auf die Dauer macht er krank.

Bei starkem Stress ist es also wichtig, zu beurteilen:

  • Ist es ein andauernder Zustand im Sinne von Distress?

  • Was liegt der Überforderung zugrunde?

  • Leidet die Person unter dem Stress?

  • Gibt es Situationen, die nicht zu bewältigen sind?

  • Was kann verändert werden?

Eine Mutter, die ständig gestresst und überfordert ist, leidet - und die Kinder leiden mit. Deshalb ist es wichtig, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

 

Wenn die Mutter gestresst ist, überträgt es sich auf die Kinder

Menschen sind keine Computer. Wir verfügen nicht über endlose Energie. Wir brauchen Ruhephasen. Nach Phasen der Anspannung müssen Phasen der Entspannung folgen.

Wenn der Mutter alles zu viel wird, fühlt sie sich schnell von ihren Emotionen überwältigt. Die ständige Überreizung führt zu einer mangelnden Impulskontrolle. In der Folge entlädt sich die Spannung oft auch auf die Kinder.

Situationen, die die Mutter unter “normalen Umständen” wenig aus der Ruhe bringen könnten, können das berühmte Faß zum Überlaufen bringen.

Die Kinder spüren die Überforderung ihrer Mutter.

Kinder nehmen Stimmungen wahr wie ein Seismograph. Oft wird das von den Eltern unterschätzt.

 

Überforderung: Kinder übernehmen die Stimmungen der Mutter

 Wenn Kinder die Überforderung spüren, können sie auf unterschiedliche Arten reagieren:

  • Sie können sich schuldig fühlen und das Gefühl haben, sie dürfen ihrer Mutter nicht noch mehr “zumuten”.

  • Sie nutzen die damit eventuell verbundenen instabilen Regeln und Richtlinien aus, “machen ihr eigenes Ding” und zeigen wenig Respekt.

  • Sie haben Angst vor den nicht einschätzbaren Stimmungen zuhause.

Egal, wie das Kind reagiert, eines haben die kindlichen Reaktionen gemeinsam: Das Erleben von wenig Sicherheit und Stabilität zuhause.

Damit verbunden können in der Folge soziale und schulische Probleme bei den Kindern verstärkt auftreten. Dies wiederum überfordert die Mutter noch mehr. Eine Kettenreaktion entsteht.

 

Organisatorische Hilfestellungen

Wie kann die Mutter besser unterstützt werden?

  • Das Umfeld ist gefragt: Wie kann man sie mehr entlasten?

  • Was kann der Vater vielleicht tun, um zu helfen?

  • Können die Großeltern auch einmal einspringen?

  • Wie kann sie Zeit gewinnen, um nicht den täglichen Aufgaben hilflos “ausgesetzt” zu sein?

 

Gibt es genügend Struktur?

Wer überfordert ist, hat oft keine Kraft mehr, den Alltag besser zu gestalten. Struktur und Ordnung kann helfen, den Alltag zu optimieren.

Wenn Familienmitglieder eigene Aufgaben bekommen, können sie ihren Teil beitragen. Eine überforderte Mutter hat vielleicht keine Energie dafür. Zudem kann ein Blick von außen helfen, die Dinge anders zu sehen - und zu organisieren.

 

Gibt es psychische Störung im Sinne einer Erschöpfung?

Wenn die Mutter aus der Situation selbst nicht mehr rauskommt, ist es nicht ihre Schuld. Wer mit Kindern überfordert ist, ist deshalb keine schlechte Mutter.

Es ist keine Schande, sich Hilfe zu suchen. Denn Selbstzweifel können sich verstärken und in einem chronischen Gefühl des “ich bin nicht gut genug” münden.

Diese Gedanken führen schnell in einen Abwärtsstrudel.

Mithilfe einer Psychotherapie kann die Mutter ihrem Leben eine neue Richtung geben. Sie kann mit Hilfe von außen ihre Selbstwahrnehmung überprüfen und ändern.

Gerade Mütter, die sehr perfektionistisch sind und alles zu 120% richtig machen wollen, sind übermäßig oft von Selbstzweifeln betroffen.

 
 

Tipps für überforderte Mütter

Zeit für sich nehmen

Auch wenn wenig Zeit bleibt, manchmal reicht es schon, auf die Atmung zu achten. Einatmen und ausatmen, bis 20 zählen.

Welche Aktivitäten tun gut? Ob nun Sport oder etwas anderes, das Freude und Abwechslung bringt: Es bringt ein Gefühl der Entlastung.

 

Realitätscheck: Bin ich wirklich eine schlechte Mutter?

Wer in einer negativen Spirale gefangen ist, sieht das Positive oft nicht mehr. Es hilft, sich das immer wieder vor Augen zu führen.

  • Was mache ich gut?

  • Wie nehme ich bewusster wahr, dass mein Kind sich gut entwickelt?

  • Muss alles wirklich immer perfekt sein? Was ist schon gut genug?

Die Beziehung zwischen Mama und Kind ist besonders.

Die Beziehung zwischen Mama und Kind ist besonders.

 

Klare Grenzen setzen

Gerade größere Kinder verstehen viel. Eltern tendieren oft dazu, ihre Kinder eher zu unterschätzen. Kinder können dazu beitragen, ihre Mutter zu unterstützen. Dazu gehört auch, dass klare und feste Grenzen gesetzt werden.

Besonders Kinder aus Trennungsfamilien werden oft mit unklaren Grenzen erzogen, fehlendes Familiengefüge wird mit wenig zielführenden Freiheiten kompensiert. Vgl. Grenzen setzen bei Kindern

 

Ausblick:

Wenn die Mutter überfordert ist, ist es kein Zeichen von Schwäche. Es ist kein Grund, an den Mama-Kapazitäten zu zweifeln. Im Gegenteil: Es ist für uns alle wichtig, nicht nur die Pflichten wahrzunehmen und zu erfüllen, sondern auch die Rechte.

Das bedeutet vor allem, nicht einzig allein auf das Wohl anderer zu achten, sondern auch auf das eigene Wohl.

Eine Familie ist ein Team. Gemeinsam mit dem Rest der Familie kann man Lösungsansätze und Entlastungsoptionen besprechen.

Zuhören und die Gefühle ernstnehmen ist der erste und wichtigste Schritt.

Ariane Faralis

Ariane ist studierte Soziologin & hat eine eigene private psychotherapeutische Praxis. Sie verstärkt unsere Online-Redaktion mit fundierten Fachtexten und wertvollem Content. Ariane’s Motto: ”Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit” (Erich Kästner)

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