Impfen - ja oder nein?

Die Diskussion um das Impfen war ja schon vor Corona aufgeflammt, ausgelöst durch gehäufte Fälle von Masern in Kitas und Kindergärten. „Muss ich mein Kind wirklich gegen Masern impfen lassen, damit es in die Kita darf?“, fragten Eltern in den verschiedensten Foren und sozialen Netzwerken.

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Ein Für und Wider mit weit reichenden Folgen

Seit Sars-Cov-2 die Welt erobert hat, haben sich die Fronten von Gegnern und Befürworten von Impfungen immer mehr verhärtet.

1) in Deutschland gibt es heute (noch) keine Impfpflicht

D.h. jeder und jede kann selbst entscheiden, ob sie oder er sich und die Kinder impfen lässt. Im Gegensatz zu früher. Die Älteren von uns können sich vielleicht noch daran erinnern, wie man in der Schule in einer langen Reihe stand und darauf wartete, das Zuckerstückchen mit der Polio-Schluckimpfung zu bekommen.

Wer vor 1980 geboren ist, trägt wahrscheinlich noch die runden Narben von der Pockenimpfung auf der Schulter. Da wurde nicht gefragt, da wurde geimpft. Mit weitreichenden Folgen für unsere Gesellschaft: die Pocken z.B. gelten seit dem letzten Fall 1972 bei uns als ausgerottet.

Nach Einführung der Schluckimpfung Anfang der 1960er Jahre sank die Zahl der Neuerkrankungen binnen eines Jahres um 90%. 1) Auch die Masern waren bis vor kurzem dank flächendeckender Impfungen so gut wie ausgerottet.

2) Die Zahl der Impfgegner steigt. Tatsächlich?

Warum scheinen sich angesichts solcher Impferfolge heute immer mehr Leute gegen Impfungen zu wehren?

Das liegt zum Teil gerade an den Erfolgen der Massenimpfungen. Jüngere Menschen und also auch junge Eltern haben keine Erinnerung an die Zeiten, in denen es bei uns so gefährliche Krankheiten wie Kinderlähmung oder Pocken gab. So etwas wie Ansteckungsgefahr kennen wir eigentlich nicht mehr. Höchstens mit Schnupfen, und der ist zwar lästig, aber nicht schlimm. Warum also impfen?

Außerdem lassen wir uns heute viel weniger „von oben“ gefallen. Weder von Behörden, noch von „der Politik“. Und ja, auch Ärzten glauben wir nicht mehr unwidersprochen. Finden wir doch im Internet zu jedem ihrer Argumente schnell eine Gegenmeinung. Die Freiheit des Einzelnen wird heute viel höher bewertet.

Die Meinungsfreiheit, und auch die Entscheidungsfreiheit. Die entschiedenen Impfgegner selbst machen übrigens nach wie vor nur einen geringen Prozentsatz der Bevölkerung aus. Aber sie können ihre Botschaft mit den sozialen Medien heute weiter verbreiten als früher. Diese Botschaften schüren Ängste. In zahlreichen Ländern gingen die Impfquoten derzeit zurück, so Kate O’Brian, Direktorin der Impfabteilung der WHO.2)



3) Warum zurückgehende Impfquoten gefährlich sind

Wir erleben gerade, dass in einer globalisierten Welt Krankheiten nicht vor Ländergrenzen Halt machen. Neue, wie Covid 19, aber auch alte, wie Tuberkulose, Keuchhusten oder Kinderlähmung. Eine seuchenartige Ausbreitung kann eben nur durch Impfungen verhindert werden.

Die potentiellen Gefahren, die von einer solchen Impfung ausgehen, sind für den Einzelnen in den allermeisten Fällen weniger schlimm als eine Erkrankung. Das beweisen nicht nur unzählige Studien, sondern  das beweist vor allem die Tatsache, dass in den letzten Jahrzehnten in Deutschland praktisch niemand mehr an früher auch bei uns lebensbedrohlichen Krankheiten gestorben ist.



4) Impfen ist ein Akt sozialer Verantwortung

Impfgegner denken nur an sich – und nicht an die Ansteckungsgefahr für andere, die im Fall eine Infektion von ihnen ausgeht. Gegen Covid 19 ist bislang noch kein Impfstoff am pharmazeutischen Horizont aufgetaucht. Eine Diskussion über Nutzen und Gefahren einer solchen Impfung ist daher verfrüht.

Ein generelles Nein zu bestehenden Impfungen z.B. gegen Masern wäre allerdings eine Kampfansage an unsere solidarische Sozialgesellschaft - mit unübersehbaren Folgen für das Gesundheitssystem und dessen finanzielle Balance. Denn wenn keine Grundimmunität mehr besteht, werden wieder viel mehr Menschen z.B. an Masern erkranken, oder an Kinderlähmung, mit erheblichen Spätfolgen. Das können und dürfen wir uns nicht leisten. Aus finanziellen Gründen, vor allem aber aufgrund der gesellschaftlichen Verantwortung, die, so der Konsens in unserer Gemeinschaft, von allen für alle getragen wird.



5) Impfkritik ist ein Phänomen „reicher“ Gesellschaften

Die Menschen in den Ländern, in denen die Deutsche Lebensbrücke soziale und medizinische Projekte betreut (4) wünschen sich in der Regel nichts sehnlicher, als ihre Kinder gegen alle Krankheiten impfen zu können, bei denen es einen zugelassenen Impfstoff gibt.

In vielen Ländern ist der Zugang zu Impfstoffen z.B. gegen Masern, Röteln, Polio, Hepatitis B, Wundstarrkrampf oder Rotaviren mit hohen Hürden verbunden. Entweder, weil die Impfstoffe teuer sind, vor allem neue wie solche gegen Pneumokokken oder Rotaviren.

Oder weil die existierenden Impfstoffe nicht auf den Bedarf in ärmeren Ländern zugeschnitten sind. In Afrika würde niemand die Chance verpassen, sich und seine Familie impfen zu lassen. Eine Chance, die dort nur wenige haben. Wir in Deutschland können uns frei entscheiden, impfen ist keine Frage des Geldes.

Natürlich gibt es immer Situationen, in denen eine Impfung aus persönlichen, individuellen gesundheitlichen Gründen nicht angeraten ist. Gehen die Impfquoten aber zu weit zurück, setzen wir durch unsere persönliche Entscheidung die Gesundheit unserer Gemeinschaft aufs Spiel. Wir sollten uns gerade jetzt daran erinnern, dass die unbegrenzte Freiheit des Einzelnen auch bei uns dort endet, wo die des Nächsten beginnt.

6) Gut informiert die richtige Entscheidung treffen

Wir haben es schon gesagt: das Internet bietet eine so unendliche Fülle an Beiträgen zum Thema Impfen, dass es sehr schwierig und vor allem auch zeitaufwendig ist, sich fachliche und sachliche Informationen zu holen.

Vielleicht ist hier ein altbewährter Weg die bessere Lösung: Suchen wir uns einen Arzt, eine Ärztin unseres Vertrauens, die zu einem ausführlichen Beratungsgespräch bereit sind. Tauschen wir uns mit Freund*innen und Bekannten mit unterschiedlichen Meinungen aus. Und entscheiden wir dann in Ruhe, wie wir mit diesem Thema für uns umgehen wollen.


Quellen:

1) Polio-Initiative Europa - Medien

2) Stern: Pockennarbe - Nur wer vor 1980 geboren ist, hat sie

3) tagesschau.de - Faktenfinder: Impfpflicht

4) Die Deutsche Lebensbrücke unterstützt u.a. Kinderhilfsprojekte für Kinder in Russland, ein Schulprojekt in Monrovia/Liberia, ein medizinisches Hilfsprojekt für Frauen und Kinder in Monrovia/Liberia

MaJa Boselli

MaJa hat Romanistik und evangelische Theologie studiert. Sie schreibt seit über 20 Jahren Fachartikel im sozialen Bereich. Von praktischen Themen wie Kinderhilfe bis hin zur Sozialpolitik. Außerdem bloggt und twittert sie leidenschaftlich, seitdem es soziale Netzwerke gibt. Ihre Spezialität: so lange am Thema dranbleiben, bis allen alles klar ist. Ihr Motto: “ich schreibe, also bin ich.”

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