Digitalisierung, Kinder, Krisen & Konflikte
Kinder haben immer mehr Zugang zu den Medien
Die Digitalisierung hat viele Vorteile. Aber wie können wir unsere Kinder vor zu viel Beeinflussung und Belastung schützen?
Kinder kommen mit Krisen stärker in Berührung
Noch vor paar Jahrzehnten gab es keine Mobiltelefone und kein Internet. Informationen über das Geschehen auf der Welt erhielten wir einzig durch die Nachrichten und die Tageszeitungen.
Seit dem Vormarsch des Internets und einer zunehmenden Digitalisierung unseres Lebens hat sich das geändert. Heute kommen Kinder mit internationalen Geschehnissen und Konflikten zunehmend in Kontakt und Berührung.
Die digitalen Medien
Die digitalen Medien spielen eine immense Rolle. Wir haben auf unserem Handy unser ganzes Leben in Apps und Fotoalben organisiert – und erfahren auf Wunsch, was sich am anderen Ende der Welt abspielt.
Beinahe in Echtzeit erleben wir beispielsweise Bombenangriffe mit. Fotos und Videos, die mit dem Smartphone aufgenommen und in den sozialen Medien geteilt werden, stehen uns auch auf der anderen Seite der Welt zur Verfügung.
So nehmen wir viel intensiver am Schicksal anderer Menschen teil.
Erwachsene blicken Studien zufolge alle 18 Minuten auf ihr Mobiltelefon. Ein großer Teil der Nutzerzeit fällt auf die sozialen Medien. Auch die Kinder sind zunehmend betroffen. Auch im Kinderleben spielt das Internet eine große Rolle. Die Kids kommen damit immer früher in Berührung.
Kinder wachsen mit digitalen Medien auf
Wissenschaftler sind sich einig: Ein überhöhter Konsum von Smartphones kann Kindern schaden. Dennoch gilt für viele Kinder: Von klein auf spielen sie am iPad der Eltern. Spätestens ab der vierten Klasse verfügen sie über ein eigenes Smartphone. Sie wissen, wie man es ein- und ausschaltet, wie man es bedient, was man damit machen kann.
So erfahren Kinder heute viel mehr als früher. Ein Grundschulkind weiß bereits, wie man mit Hilfe von Suchmaschinen Informationen findet.
Die digitalen Medien sind ganz klar ein wichtiger Einflussfaktor für das kindliche Erleben und Selbsterleben. Das hat gute, aber auch schlechte Seiten.
Oft wird wenig beachtet, dass viele Eltern ihre Kinder unterschätzen. Kinder verstehen oft mehr, als die Eltern sich vorstellen können und eingestehen mögen. Sie wiegen sich in Sicherheit, dass ihr Kind das Internet nicht nutzen wird.
Deshalb ist es immer wichtig, dass Eltern die Kindersicherung aktivieren, um den Konsum zu kontrollieren.
Bilder wirken stärker als Worte
Über 80% aller Informationen nehmen wir allein über die Augen wahr. Was wir sehen, bleibt uns länger im Gedächtnis als andere Arten von Sinneseindrücken.
Es ist bewiesen, dass Inhalte auf Bildern eher den Blick anziehen. Lang bevor es die Schrift gab, haben unsere Vorfahren Bilder in Höhlen und an Wände gemalt. Bilder und die damit verbundenen Eindrücke prägen sich ein. Sie werden auch schneller verarbeitet.
Das gilt in besonderem Maße für Videos. Bilder von schwer verletzten Menschen wirken auf die kindliche Seele ein. Deshalb sollten Kinder eher keine Nachrichten sehen.
Nachrichten im Fernsehen
Allen digitalen Medien zum Trotz: Viele Menschen schauen abends weiterhin die Nachrichten im Fernsehen. Zu der Zeit sind die Kinder oft noch nicht im Bett. Aus den (Video-) Beiträgen erreichen uns oft verstörende Bilder. Diese bewegten Bilder faszinieren Kinder sehr.
Manche Eltern merken nicht, dass ihre Kinder im Raum sind. Andere sind sich nicht dessen bewusst, dass die Bilder auf ihre Kinder nachhaltig wirken.
Wenn die Eltern allerdings aufhören zu sprechen, wenn die Kinder den Raum betreten, den Fernseher ausschalten, nehmen Kinder das auch als geheimnisvoll und bedrohlich wahr.
Nachrichten sind nur sehr bedingt für Kinder geeignet
Kleine Kinder sollten nicht die Nachrichten für Erwachsene sehen dürfen. Auch bei älteren Kindern sollten die Informationen nur sparsam dosiert werden. Die Eltern sollten den Nachrichtenkonsum eingrenzen.
Das gilt insbesondere für Kriegsberichterstattung. Allerdings ist es bei älteren Kindern schwerer, Infos von ihnen fernzuhalten. Videos und Fotos senden die Kinder sich auch über soziale Medien zu.
Zeitungskästen und Infokästen
Tageszeitungen sind in größeren Städten an jeder Ecke zu finden. Die Titelseite mit großen Lettern und oft aussagekräftigen Bildern sind von Weitem zu sehen. Das Ziel ist, Käufer anzulocken.
Ob an der Straßenbahnhaltestelle oder an der roten Ampel. Sobald ein Kind lesen kann, interessiert es sich für den Inhalt der großen Buchstaben auf der ersten Seite. Darüber machen die Kinder Witze, unterhalten sich.
Kinder, die beispielsweise mit der Straßenbahn in die Schule fahren, blicken gebannt auf die Infokästen in der Tram. Sie saugen die Inhalte auf.
Flüchtlingskinder in der Schule und zuhause
Die Ukraine-Krise hat für riesige Sympathiewellen gesorgt. Die Hilfsbereitschaft der Menschen war und ist überwältigend. Viele nehmen Flüchtlinge bei sich zuhause auf. Andere spenden Kleidung und andere dringend benötigte Dinge.
Schulen organisieren Spendenläufe, Basare. Die Lehrer integrieren die Geschehnisse in den Unterricht.
In vielen Schulen sind zudem Flüchtlingskinder. Sie erzählen über ihre Flucht, über die Geschehnisse vor der Flucht. So wird in Kindern automatisch das Interesse an den Geschehnissen geweckt. Sie kommen mit traurigen und schwierigen Situationen in Kontakt.
Und sie stellen Fragen.
Kindern den Krieg erklären – gemäß Entwicklung und Alter
Die unzähligen Flüchtlinge aus der Ukraine und ihre schweren Schicksale berühren Kinder ab einem bestimmten Alter. Die Fähigkeit zu Mitgefühl entsteht im Laufe unserer Kindheit.
Kleine Kinder haben noch kein Empathievermögen. Erst ab dem 4. Lebensjahr entwickeln sie es. Je empathischer und sensibler ein Kind ist, umso mehr nimmt es sich Dinge zu Herzen.
Wichtig ist, für jedes Kind individuell zu entscheiden, was man dem Kind erzählen sollte und was nicht.
Nach individueller Entwicklung des Kindes
Jedes Kind ist anders. Manche Kinder möchten alles genau wissen. Andere sind mit einer kurzen Erklärung zufrieden. Besonders dann, wenn die Antwort für sie „Sinn macht“.
Kinder spüren, wenn die Eltern sich Mühe geben. Kinder wünschen sich, ernstgenommen zu werden.
An diesem Punkt schätzen viele Eltern ihre Kinder falsch ein. Selbst kleine Kinder nehmen sehr wohl wahr, wenn Eltern herumdrucksen. Wenn sie den Kindern Informationen vorenthalten. Wenn sie ihren Kindern etwas verheimlichen.
Eltern unterschätzen auch, wie sehr Kinder Stimmungen und Launen der Eltern wahrnehmen. Dazu gehört auch, wenn die Eltern selbst Angst vor einem Krieg haben.
Nach Alter des Kindes
Manche Kinder interessieren sich schon sehr früh dafür, was in der Welt passiert. Andere wollen lieber spielen und mit ihren Freunden herumtollen. Generell gilt: Besonders jüngere Kinder sollten nicht dazu gezwungen werden, sich mit dem Weltgeschehen auseinander zu setzen.
Das Alter spielt eine wichtige Rolle. Wichtig ist, das Kind nicht zu überfordern.
Wenn es Zusatzfragen stellt, sollte man sie allerdings auch beantworten. Schließlich erfährt das Kind davon auch an anderen Stellen.
Als Eltern kann man einen großen Einfluss auf die Verarbeitung der Informationen nehmen. Das Kind lernt, damit richtig umzugehen.
Egal wie alt das Kind ist, Ehrlichkeit ist wichtig. Auch wenn sich der Inhalt, die Tiefe der Informationen je nach Alter entscheidet sollte: Kinder verstehen mehr, als Erwachsene oft denken.
Generell gilt: Je jünger das Kind ist, desto einfacher sollten die Informationen vermittelt werden.
Vgl. auch: Kind hat keine Freunde im Kindergarten – Ursachen & Tipps
Im Kindergartenalter
Kinder im Kindergartenalter verstehen Zusammenhänge noch nicht. Auf die Frage „Was ist Krieg?“ sollten Eltern deshalb mit kurzen, stark vereinfachten Sätzen antworten.
Beispiel: „Krieg ist, wenn sich Menschen oder Länder streiten, aber beide wollen recht haben.“
Mit dieser Antwort sind die meisten Kinder in diesem Alter zufrieden.
Im Grundschulalter
Ob durch Flüchtlingskinder, Spendenaktionen oder im Gespräch mit Freunden: Grundschulkinder bekommen schon eine Menge mit. Aber auch hier gilt Zurückhaltung. Die Kinder dürfen nicht mit allzu vielen Informationen überlastet werden.
Vielleicht können die Eltern mit dem Kind die Kindernachrichten auf KIKA gemeinsam ansehen. Im Grundschulalter ist es bereits wichtig, dass die Eltern ehrlich antworten.
Beispiel: „Krieg bedeutet, dass sich Menschen oder Länder nicht einigen können. Irgendwann wird das zum richtigen Streit. Durch den Streit wird das Wohnen in diesen Gebieten schwieriger und viele wollen oder müssen eine Zeitlang das Land verlassen, bis der Streit beendet wird.”
Ab zehn Jahren
Ein Kind mit 12 oder 13 Jahren versteht schon sehr viel. Es ist aber dennoch noch ein Kind. Auch hier gilt: Das Kind darf nicht überfordert werden. Mit den Eltern die Nachrichten im Fernsehen anschauen ist auch jetzt nicht unbedingt empfehlenswert.
Kindern den Krieg erklären – und sie dennoch schützen
Nicht den Fragen ausweichen
Klar ist: Kindern den Krieg erklären zu müssen, das ist keine schöne Aufgabe. Aber es ist wichtig, Fragen von Kindern nicht auszuweichen. Es ist wichtig, ehrlich zu den Kindern zu sein.
Gleichzeitig sind Kinder keine Erwachsenen. Auch Informationen zum Thema „Krieg und Konflikt“ müssen kinder- und altersgerecht aufbereitet werden.
Mundgerechte Informationen
Wenn das Kind fragt, sollten die Fragen beantwortet werden. Wenn die Eltern ausweichen, spüren Kinder das. Gleichzeitig müssen die Informationen wohldosiert sein.
Auf jeden Fall gilt für die Eltern: Erst nachdenken, dann sprechen. Es ist besser, dem Kind ein Gespräch am nächsten Tag vorzuschlagen, und sich erst selbst auf den Wortlaut und die Inhalte vorzubereiten, als sich im spontanen Gesprächs-”Versuch” zu verlieren.
Vorurteilen vorbeugen
Es ist leicht, in Schwarz-Weiß-Denken und Schuldzuschreibungen zu verfallen. Das kann allerdings auch einseitig sein. Bei Konflikten wollen beide Seiten Interessen vertreten, die ihnen wichtig sind.
Beide Seiten möchten ihre Wünsche und Ideale gerne verwirklichen. Es ist wichtig, im Kind Verständnis und Toleranz zu stärken. Sich parteiisch zu äußern, sollte vermieden werden, da Kinder politische Zusammenhänge nicht verstehen.
Als Eltern Vorbild sein
Da Kinder mehr wahrnehmen, als Eltern oft glauben, sollten die Eltern ihr eigenes Verhalten reflektieren. Wenn die Eltern die Ruhe behalten, spüren Kinder das. Wenn sie Angst haben, auch.
Eltern, die von ihrer eigenen Kriegsangst überwältigt werden, sollten sich Hilfe suchen. Ihr Kind ist kein geeigneter Gesprächspartner.
Eltern müssen ihrem Kind suggerieren, dass es sich nicht in akuter Sicherheit befindet. Dementsprechend müssen sie handeln und sich verhalten.
Ein positives Gegengewicht bilden
Das Thema Krieg darf nicht den Tag beherrschen. Wenn den ganzen Tag negative Gedanken im Kopf sind, beeinflusst es die Stimmung. Deshalb ist es wichtig, bewusst angenehme Dinge in den Tag zu integrieren.
Ob Wanderungen, Frisbee-Werfen oder Brettspiele: Nach der Belastung muss Entlastung erfolgen.
Die Kinder unterstützen, wenn sie helfen wollen
Wenn das Kind aktiv werden möchte, sollten die Eltern es ermutigen. Vielleicht hat es Spielsachen, die verschenkt werden können? Wenn das Kind etwas abgibt, um einem anderen Kind etwas Gutes zu tun, erfährt es Selbstwirksamkeit.
Resumé
Eltern unterschätzen immer wieder, wie viel Kinder verstehen können – und wissen wollen. Und letztlich unterschätzen sie die Resilienz von Kindern. Psychisch gesunde Kinder können auch mit schwierigen Themen umgehen – sofern sie individuell kindgerecht vermittelt werden und nicht ständig Raum im Alltag einnehmen.
Inwiefern das Thema Krieg tiefgehender thematisiert werden sollte, hängt natürlich auch davon ab, wie ängstlich das Kind ist. Wichtig ist, die Gefühle der Kinder ernst zu nehmen, sie nicht zu überfordern und zu überlasten.
Wen selbst die Sorgen plagen, der ist in Gefahr, die Angstgefühle und die Spannung auf andere Menschen zu übertragen. Es kann hilfreich sein, sich selbst aufmerksam zu beobachten und den eigenen Informationskonsum kritisch zu hinterfragen.